Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1900

44 Enkels hat hören müssen. Somit hielt er sich sozusagen verpflichtet, anzusehen wie es bei seiner Tochter brennt. Daß der Nazi nicht daheim, gibt ihm erwünschte Gelegenheit, sofort über Jemand loszu¬ ziehen. „Der Lump geht noch auswärts, polterte er, „wenn schon der Bettelsack an der Wand verzweifelt.“ Auch die ge¬ retteten Bettstücke und andere Dinge stimmten den aufgebrachten Mann nicht versöhnlicher. „Was nützt das ruinirte Zeug?“ schrie er Anne=Marei an, „wenn Dein sauberer Mannversichert ist, braucht's das nicht, und wenn er's nicht ist, nach¬ her ist's ja doch Matthäi am Letzten mit Euch.“ Die Wendelbäuerin läßt Alles vor ihren Ohren gehen. Manchmal ringtsie stumm die Hände und einmal hört sie die Base, die auch herausgekommen agen: „Auch das noch, auch das noch ist denn's Unglück bei uns immer noch nicht groß genug!“ Die Base hatte endlich den guten Einfall, das todtmüde Weib, für das es in hier nichts mehr zu thun gab, heim die „Sonne“ zu nehmen und ihr bei der Ahne ein Bett aufzumachen. * * * Als Nazi am nächsten Morgen von seinem Zeugenverhör heimkehrte, wußte er, ehe er das Dorf betrat, schon von dem Unglück, welches ihn betroffen. Die Botenfrau hatte es ihm bereits in der Stadt verkündet. Sie war ordentlich stolz, die Erste zu sein, welche so etwas Wichtiges Dem berichten konnte, den die Sache so nahe anging. Der Bäumer hatte gar arg gejam mert, was er doch für ein großes Pech habe und erkundigte sich eingehend über alle Einzelheiten. Dies erzählte die Botenfrau Jedem, der es hören wollte. Es stellte sich aber bald heraus, das Unglück auf dem Wendelhofe sei nicht so groß, als Mancher gedacht, denn er war hoch versichert. Für das Geld, so be hauptete der Schultheiß, könnte man zwei Höfe aufbauen. Ueber die Ursache des Brandes herrschte größtes Dunkel. Der Holz¬ chuppen, in welchem das Feuer ausge¬ brochen, war ein paar Tage lang von Niemand betreten worden. In der Küche hatte man immer ein kleines Quantum Holz vorräthig, so daß man das Herauf¬ schaffen von Brennmaterial im Sommer nur alle acht bis zehn Tage besorgte Außer Holz und allerlei Geräthschaften wurde in dem Schuppen nichts verwahrt. Das Feuer mußte gelegt worden sein. Bei Nazi's ungünstigen Verhältnissen richtete sich der Verdacht sofort auf ihn und allerlei Gerüchte kamen in Umlauf. Sie konnten aber doch nur auf bös¬ williger Verleumdung beruhen, denn sein Weib verschwor sich hoch und theuer Nazi sei lange vorher in die Stadt ge¬ jangen und die Dienstboten bezeugten, ie hätten weder von ihm, noch von einem Andern eine Spur auf dem Hofe bemerkt, als sie die erste Heuladung dicht neben dem Schuppen, der halb offen gestanden sei, unterbrachten. Die ersten Tage nach dem Brande brachte Nazi bei seinem Weibe in der „Sonne“ zu. Von vorneherein erklärte er dem Schwiegervater, er werde bezahlen für sein Unterkommen, wie jeder Andere auch, sobald die Versicherungsgesellschaft „ausgeblecht“ habe. Und da fügte sich denn Anne=Marei's Vater in das Unvermeid¬ liche, die Obdachlosen gegen Geld und gute Worte zu beherbergen. Kaum waren jedoch die verschiedenen Gerüchte betreffs Nazi im Umlauf, so sah Anne=Marei ein, daß ihr Verbleiben unter dem väter¬ lichen Dach ein Ding der Unmöglich¬ keit sei. Die Anzüglichkeiten und Stiche¬ leien des Sonnenwirthes dauerten den ganzen Tag fort und machten das Leben zur Hölle. Sie ging zu der Lehrersfrau Jegel, einer Schulkameradin, von der sie wußte, daß sie ihre große Gaststube ge¬ rade leer stehen habe. Diese empfand zwar keine große Lust, einen so anrüchi¬ gen Menschen wie den Nazi, unter

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