Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1900

38 Antrieb folgend — schlug er den Weg zu Anne=Marei's Behausung ein. Niemand auf dem Hofe sah den seltenen Gast kommen. Ein säumiger Knecht, der längst zur Mühle fahren sollte, ging eben in aller Gemächlichkeit in den Stall hinein, um ein Paar Ochsen herauszuholen, die er ins Joch spannen wollte. Eine schwarze Katze lag mit ge¬ schlossenen Augen auf einem Mäuerchen und blinzelte den frühen Morgenbesuch gleichgiltig an Der also Empfangene stolperte die Stiege hinauf und von da in die Wohn¬ stube wo noch auf dem schwerfälligen Holztisch das Frühstücksgeschirr stand aus dem das Gesinde die Morgensuppe gelöffelt hat „Zum Donnerwetter!“ brüllte der Eintretende, nachdem ihm klar geworden, daß sich auch hier kein Mäuschen rührt: „ist das eine Schlaraffenwirthschaft! so sieht's bei meinem Mädel aus, das sich immer so viel eingebildet hat auf ihre Ordnung daheim! Während er einen Augenblick inne¬ hält, um über neue Anschuldigungsgründe sich zu besinnen, geht langsam die Thüre zur Schlafstube auf und die Angeklagt steht vor ihm. Blaß und übernächtig — ieht sie aus; das blonde Haar hängt wirr um ihr schmal gewordenes Gesicht. Es scheint sie nicht zu überraschen, daß der Vater gekommen. Er wird wohlge¬ dem hört haben, wie schlimm es mit Kind gewesen, dem ein Croupanfall bei¬ nahe das ohnehin unstet flackernde Lebens¬ licht ausgeblasen hätte „Der Wendelin ist besser,“ redet sie den Vater mit einem Seufzer an, „wenn 7 es so bleibt „Was geht mich der Junge an!“ stößt entrüstet der Großvater hervor „das Kind von einer undankbaren Tochter, wie Du eine bist!“ „Möchte doch wissen, was jetzt los ist?“ fragt mit matter Stimme Anne¬ Marei, auf die des Vaters Zorn nicht die Wirkung hervorbringt, welche er sich versprochen. Da diese Thatsache nicht wenig dazu beiträgt, seinen Aerger zu vergrößern, ruft er wüthend: „Es ist wohl nicht genug, daß Du und Dein Lump von einem Mann auf dem Weg bist, schnur¬ tracks ins Armenhaus zu laufen; Deinen Vater willst Du jetzt auch hineinbringen! Schämst Dich nicht, Euere Milch hinaus zu schicken zu dem Pack auf der Alm droben, das Deinem Vater ins Handwerk pfuscht? Aber kein Pfennig von meinem Geld soll Dir einmal die Armensupppe schmälzen helfen!“ Jetzt endlich versteht Anne=Marei die Ursache von ihres Vaters Wuth. Ein bitteres Lächeln gleitet über ihre Züge; aber sein Zorn, wie seine Dro¬ hungen, die sie ehemals zittern und beben gemacht haben, scheinen sie nicht zu erschrecken. Sie ist nach und nach zu dem Punkt gelangt, wo man wenig mehr fürchtet und kaum mehr hofft. Ohne zu zagen, tritt sie dem Vater entgegen und fragt ihn, ob er nicht einem Jeden sein Bier ausschänken würde, wenn er nicht mehr „wo aus und ein wüßte“ wenn er ein schwer krankes Kind daliegen hätte, für das Doctor und Apotheker zu bezahlen. „Zu Dir,“ sagt sie schließlich, „hab' ich nicht kommen mögen um Hilf', weil ich weiß, daß Dir Dein Geldbeutel lieber ist als Dein Kind. Was kümmert ich überhaupt ein Mannsbild viel um eine eigenen Leut', wenn es ein Opfer zu bringen gibt! ... Der Sonnenwirth steht sprachlos da. In dem jungen Weib erkennt er das Mädchen nicht wieder, das er ehemals mit ein paar „Donnerwetter“ vollständig zum Schweigen bringen konnte. bis Doch schon nach wenig Minuten findet er seine Zunge wieder und richtet die Wucht seiner Schmähungen gegen den abwesenden Schwiegersohn, da er die Tochter, wie es sich gezeigt, nicht angreifen kann, ohne daß sie sich wehrt. Aber Anne=Marei ist auch nicht ge¬ neigt, den Angriff auf ihren Mann ru¬ hig hinzunehmen.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2