die dringenden Geschäfte erledigt, welche ihn angeblich zur Stadt trieben. — Da¬ heim aber saß sein Weib und versuchte dem kleinen Wendelin den Sensenmann ferne zu halten, der schon des Oeftern die knöcherne Hand nach ihm ausgestreckt hatte. Die Mutter selbst war nur noch ein Schatten von des Sonnenwirths hübscher Anne=Marei, die früher nur zu arbeiten brauchte, wenn es ihr Spaß machte und die bloß aus besonderer Ver¬ günstigung im Herrnzimmer bedienen half wenn die Rösel behauptete, nicht mehr herumkommen zu können. Die Wendelbäuerin hat immer so etwas Feines, Zimperliches an sich gehabt, meinten die Leute im Dorfe, welche sich für die gescheitesten hielten, und dasist ihrer Ansicht nach ein Unglück gewesen Der Nazi konnte Keine brauchen, die sich Alles zu Herzen nahm und d'rein guckte wie drei Tage Regenwetter und zu Allem schwieg. Dem mußte man tüchtig die Leviten lesen, wenn's Noth that; mit einem lustigen Gesicht nachher ließ ersich eher von seinen sündhaften Wegen be¬ kehren, als mit dem ewigen „Geflenne“ Bittere Zähren standen allerdings oft genug in Anne=Marei's Augen. Ihr Mann gab sich redlich Mühe, sie nicht zu bemerken wenn sein von Schlemmerei getrübter Blick einmal länger als gewöhnlich auf ihr weilte * * * Im Gasthof „zur Sonne“ geht es in den Sommermonaten nicht halb so leb¬ haft mehr zu als in früheren Jahren. Klein=Hesselbach galt von jeher den Städtern als hübscher Punkt für Land¬ partien und da man nirgends bessere Gelegenheit fand, den innern Menschen so zu erfrischen, als in der „Sonne“ vergeht bei günstiger Witterung selten ein Tag, an dem nicht Einzelneoder ganze Gesellschaften sich dort gütlich thaten. Aber ein unternehmender Wirth aus der Stadt, der dort keine allzu glänzenden Geschäfte machte, hatte dem Ort auf Speculation eine zerfallene Hütte abgekauft, die auf einem mit Wald umgebenen Abhang stand, sich dort eine 37 Sommer=Restauration im Schweizer Stil eingerichtet und ihr den Namen „Alm gegeben. Es wurde hier nicht nur Milch¬ und Kaffeewirthschaft betrieben, sondern Alles ausgeschänkt, was durstige Be¬ ucher beanspruchen konnten. Die „Sonne“ vermochte nicht mit der romantischen Lage der „Alm“ zu concurriren, die überdies der Station ein gut Stück näher lag als das Dorf, in dessen Mitte der erste Gasthof stand. Zuerst rümpfte der Sonnenwirth die Nase über die Käsewirthschaft dort dro¬ ben und über die Voraussetzung, es könne Narren geben, die lieber in die Höhe kletterten im Schweiße ihres Angesichts, um damit den Schoppen zu verdienen, den sie in der Ebene ohne jegliche Mühe ich zu Gemüth führen konnten. Die „Alm“ rentirte sich prächtig und im zweiten Sommer ihres Bestehens chien es, als ob nicht genug Vorräthe nach oben gebracht werden könnten. Eines Tages ging ein Schrei der Ent¬ rüstung durch das Dorf. Alles, was die Wendelbäuerin an Milch und Butter zu entbehren vermochte, fand seinen Weg zum Concurrenten ihres Vaters. Der Sonnenwirth war der Letzte, der Wind von der Sache bekam, denn Keiner wollte ihm davon erzählen und ich seinem Zorn aussetzen, welcher nicht immer nur auf den Schuldigen fiel. Doch eines Tages begegnete er Jakob, einem Jungen, den man auf dem Wendelhofe zu allerlei Handlangerdiensten benutzte, wie dieser, mit Milchflaschen beladen, in den Fußweg einlenkte, der zur „Alm“ führte. „Was hast da droben zu schaffen? fragte der Wirth mit einer Miene, welche einen heraufziehenden Sturm verkündete. „Hinaufzutragen, was mir die Frau geheißen hat,“ antwortete mit blödem Lachen der Junge. Das roth gefärbte Gesicht des Wirthes wurde noch um einen Ton dunkler als gewöhnlich. Die üblichen Flüche blieben ihm im Halse stecken und ohne weitere Ueberlegung — nur einem unwillkürlichen
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