Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1900

verdammt dumme Ausrede, mit der Ihr einem Andern kommen könnt, als mir. Euresgleichen hat immer Geld, wenn ein Geschäft zu machen ist.“ Geschäft und Geschäft ist ein Un¬ terschied. Ich verschmähe nicht ein gutes Geschäft, das eine sichere Grundlage hat. Aber was Sie mir vorgeschlagen haben, ist kein Geschäft; ich könnt's nicht ver¬ antworten vor meinem Gewissen. Gewissen,“ lachte der junge Mann auf, indem er einen häßlichen Fluch ausstieß. Doch rasch faßte er sich und unterdrückte die Schmähungen, welche sich ihm auf die Lippen drängten. Leute, die am Ertrinken sind, dürfen die ret¬ tende Planke nicht von sich stoßen! Der mit David Angeredete, dem die Anstrengung nach Selbstbeherrschung des Andern nicht entging, grinste unter dem Schutze der einbrechenden Dämmerung höhnisch und sagte: „Um einem alten Kunden meinen guten Willen zu beweisen, mache ich einen Vorschlag: Sie, Herr Bäumer, gehen einmal ordentlich ins Zeug mit dem reichsten Mädel von Klein=Hesselbach und am gleichen Tag, wo der Verspruch ist, findet der David, so wahr er ein ehrlicher Mann ist, das Nothige, um die Gaut zu verhüten.“ „Zum Teufel, Du verdammter Kerl!“ brüllte Ignaz Bäumer, alle Klugheit über Bord werfend, „Wer spricht von Gant?! „Bei Ihnen draußen wird gar man¬ cherlei gemunkelt,“ sagte David, nicht länger die höfliche Geschäftsmiene beibe¬ haltend. Durch die offenen Fenster des „Tivoli“ wo eben eine Pause in der Vorstellung eingetreten ist, sind die lauten Stimmen hörbar geworden und einige Neugierige ind unter die Thüre getreten, um zu ehen, ob's da draußen nicht vielleicht größern Spaß gibt als drinnen. Aber Sache ist zu Ende. die David entfernt sich langsam und überläßt seinen Schuldner wenig ange¬ nehmen Gedanken, die auf ihn ein¬ dringen und die er nicht los werden kann. 35 „Zum Teufel,“ ruft ihn plötzlich Jemand, der sich unbemerkt von seitwärts in lachendem Tone an; „ist genähert, bei Ihnen daheim die Klauenseuche aus¬ gebrochen, oder gar Haus und Hof ab¬ gebrannt, daß Sie solche Grimassen chneiden? Nazi Bäumer ist es anfangs nicht um die Gesellschaft des städtischen Freundes zu thun, der sich zu ihm ge¬ etzt und ihn schließlich bewogen, sich drinnen „das großartigste Königs=Trio“ aus zwei Damen und einem Herrn be¬ stehend, anzuhören. Immer, sagte sich Ignaz, kann man den Kopf nicht hängen lassen und der heutige Abend wenig¬ tens gehört noch ihm, den wollte er sich noch gönnen, ehe er um des Hofes willen sich ein Weib nimmt! Dieser Entschluß fällt ihm nicht all¬ zuschwer und bald geht es über die Maßen lustig an dem Tische zu, um welchen sich verschiedene Gesinnungs¬ genossen geschaart haben. In den Pausen gesellen sich auch Elsa Ferry und Bella Morelli, die reizenden Costüm=Soubretten, den weinseligen jungen Leuten zu. Die rotz ihrer Jugend nicht unerfahrenen Damen sind aufgeräumt und lassen hrer Laune die Zügel schießen. Nazi, der ihnen als Gutsbesitzer vorgestellt wird, ist ganz besonders der Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit. Er fühlt sich davon so geschmeichelt, daß er ohne Bedenken ein aar Flaschen Sect zum Besten gibt. Weder die blonde Elsa, noch die dunkel¬ äugige Bella sind spröde; sie trinken lustig mit und in der Folge erreicht Nazi in einem Zustand, der zwischen Lachen und Weinen gleiches Maß hält, das heimatliche Dorf, in dessen Nähe eine Station sich befindet, an der ihn ein Nachtzug — nicht zum ersten Mal in den letzten Jahren — um zwei Uhr Früh absetzt. * * * Anne=Marei's Wunsch ist theilweise wenigstens in Erfüllung gegangen. Seit sechs Jahren haust sie als Bäuerin auf 1 *

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