Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1900

26 Meinung nicht gerne eine Berechtigung einräumte? Diese Frage schwirrt ihm im Kopfe herum, der seltsam verworren ist. Bald scheint ihm, sie werde in laut dröhnen¬ der Stimme an ihn gerichtet, dann wie¬ der däucht ihm, sie stehe auf den Noten blättern schwarz auf weiß geschrieben Einmal verschwimmen die Buchstaben, und kurz darauf dehnen sie sich riesig groß vor seinen Augen aus. Und in¬ mitten dieses Gaukelspieles überschleicht ihn unsagbare Angst ... wo ist der Junge mit der Tinte? Ist er schon seit Stunden fort, oder ist die Dauer seiner Abwesenheit nur nach Minuten zu be¬ messen? Er weiß es nicht zu berechnen, denn in dem armen Kopfe die Verwirrung Gegenwärtiges und wird schlimmer Vergangenes lassen sich nicht mehr klar ein durch Mangel und unterscheiden Entbehrung geschwächter Körper kündigt dem willensstarken Geiste den Dienst auf Richard ist indes weit länger außer halb der vier Mauern seiner ärmlichen Behausung festgehalten worden, als er vorhersehen konnte. An Läden, in denen die Erwerbung von Tinte voraus¬ sichtlich war, fehlte es in dem Stadt¬ theile, welchen der Musiker bewohnte, nicht; aber ohne die Mittel zur Beglei¬ chung des kleinen Betrages durfte er nicht in einem beliebigen Geschäft ein treten. Es fiel ihm ein, daß er vor einigen Zeit, wo nicht immer vollständige Ebbe in Vaters Casse gewesen, manchmal mit ihm in einer großen, im Mittelpunkte der Stadt gelegenen Handlung bald dies, bald jenes von Schreibmaterialien ein¬ gekauft habe. Vielleicht würde man ihm dort, wenn er versprach, morgen das Geld zu bringen, so viel Credit geben Des Knaben Wangen brannten, und ein seltsam beklommenes Gefühl kam über ihn, als er den Raum betrat, welcher voll von Kunden war. Er wollte abwarten, bis Einige sich entfernten. Sollte er seine Zahlungsunfähigkeit vorher oder nachdem er die Tinte er¬ obert, eingestehen? Und o, wie konnte er Worte finden für das beschämende Geständniß! Wäre er doch lieber nicht gekommen! Wenn er aber unbemerkt wieder fort¬ zugehen versuchte? Gedacht, gethan! Langsamen Schrittes wendet sich Richard dem Ausgang zu. Aber was nun? Der Vater kann die Arbeit nicht abliefern, wenn er mit leeren Händen nach Hause kommt . .. und morgen ist dann wieder Fasttag, nicht für ihn allein — sondern für den Vater: Eine Thräne, die um so schmerzlicher brennt, weil sie sich nicht zurückhalten lassen will, drängt sich in das Auge des Knaben, der halb zögernd stehen bleibt. „Sie sind wohl nicht bedient worden junger Herr,“ redet ihn eine freundliche Stimme — die der Cassiererin an. Sie ist eine ältliche, scharf beobachtende Frau, der das Gebaren des jugendlichen Kunden nicht verständlich ist. So sieht man nicht aus, wenn man sich langsamer Bedienung halber gekränkt fühlt, denkt sie, während ihr forschender Blick das Kind der mühsam bewahrten Fassung vollends beraubt. „Ich brauche nichts . “ stammelt Richard; „ich kam nur, weil . . . und ich habe kein Geld bei mir . .. ein ...Mal ander Und dabei glänzen die braunen Augen verdächtig feuchtem Schimmer, und in die Lippen zuckt es krampfhaft, bis um ich endlich nimmer zurückhalten läßt es das Weh eines übervollen jungen Herzens — das viele Tage dort ge¬ schlummert hat — unverstanden und unbeachtet. Laut schluchzend sucht der Knabe zu entkommen; er will es vor den neugie¬ rigen Blicken, die mit einemmal au ihn gerichtet sind, bergen — das Ge¬ — die Noth penst, das daheim umgeht Er hat es von dem Vater gelernt, sorg

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