Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1900

Versucht. Gordon, geb. Freiin von Beulwitz. Aus dem Leben erzählt von Emy (Nachdruck verboten.) ein Schüsselchen Milch zum Nachtessen ie Tinte ist recht blaß, Vater, verzichten sollte. Der Kleine durfte nicht sagt mit einem prüfenden ∆ 80 Blick auf einige eng beschrie¬ wissen, daß es zu des Vaters Nachtessen bene Notenblätter ein Junge nicht gereicht, sonst würde er in gleicher Theilung bestehen, und solch kleine Por¬ von zwölf Jahren. tionen lohnt es sich nicht zu theilen, Der Ton des Knaben hätte etwas Gönnerhaftes, wenn er nicht von einemhatte sich Möllner mit einem Seufzer so mitleidigen, beinahe zärtlichen Blick gesagt. Noch nie waren ihm die Fragen des auf den alten Mann begleitet wäre, der Knaben so unbequem gewesen, wie in an einem wackligen Tischchen schreibend sitzt. letzter Zeit. Mit einer ihm durchaus nicht „Glaubst Du, man wird es lesen gewöhnlichen Schärfe hatte er Richard können?“ fragt, in den müden Zügen mehrere Male bedeutet, Kinder dürften tliche Spannung verrathend, der Vater äng nicht immer Gründe und Ursachen er¬ Er hängt gar häufig, wenn es sich forschen wollen. Seither verriethen nur um die Lösung der praktischen Fragen des Knaben Augen die wehmüthigen des Lebens handelt, von dem Urtheile Fragen, mit deren Lösung er sich be¬ des Kindes ab. Seit Jahren hat ihn Schicksal grausam herumgetrieben in schäftigte. das Auch die Verdünnung der Tinte, die der Welt, auf der es kein ruhiges heute vorgenommen worden war, blieb Plätzchen mehr zu geben scheint für den ihm kein Geheimniß, obwohl der Vater Musiker, nunmehr Notenabschreiber, wenn einen Augenblick dazu benutzt, während¬ der Capellmeister der Regimentsmusik dem er Richard in seine Schularbeit Arbeit für Herrn Möllner hat. ganz vertieft glaubte. Möllner zählte zu der Classe von Exi¬ Was soll er nur dem Vater ant¬ Menschen, welche man „verfehlte worten, welcher zu zweifeln beginnt, ob stenzen“ zu nennen pflegt. Trotz seiner die Tinte ihren Zweck erfüllt hat? fragt Leistungsfähigkeit war er niemals ins sich der Knabe. Darf er den Mann, der richtige Fahrwasser gekommen, denn es eit mehreren Stunden sich redlich ge¬ fehlte ihm nicht nur an praktischem Sinn müht hat und so erschöpft aussieht, in zur Verwerthung seiner Kenntnisse, son¬ einer Befürchtung bestärken, er habe dern auch an der Gabe, „etwas aus sich vergebens gearbeitet? Und spart er ihm zu machen,“ wie es der Volksmund nennt. die Enttäuschung jetzt, wer weiß denn Bescheiden und anspruchslos, war er ob der Capellmeister, ein heißblütiger immer im Hintergrund geblieben, während Mann, in der Folge nicht einem Anderen Andere sich vordrängten. die Arbeit überträgt, welche ihnen ein, Seit sein treu für ihn besorgtes wenn auch recht spärliches Brot ein¬ Weib, bald nach Richard's Geburt, sich bringt. Und ein paar Musikschüler hat mit allen Sorgen und den spärlichen er dem Vater auch in Aussicht gestellt! Freuden des Daseins abgefunden und Nein, nein, er darf die kaum seinem hinweggegangen war, ging es mit Möllner charfen Auge leserlichen Noten nicht als rasch bergab, was seine bürgerliche deutlich ausgeben. Stellung betraf. „Vater,“ sagt er mit der vorzeitigen Heute war es so weit gekommen, Klugheit, welche Kindern oft eigen, die daß es an den paar nöthigen Pfennigen schon frühe mit Sorge und Noth Be¬ zum Einkauf von Tinte fehlte, wenn kanntschaft gemacht haben, „ich kann Dir Richard nicht auf ein Stück Brot und

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