Soll ich meines Bruders Hüter sein? Von ZZianca ZSoücrlag (Victor Valentin). ergcinsamkeit! — Wohl dem, der Dich durchwanderte am goldigen Morgen. Selbander, wenn das Echo, das ein Mund weckte, in des Freundes Ohr widerscholl, wie eines dritten Gefährten Stimme, wenn das staunende Entzücken über Deine Wunder in verwandten Seelen sich begegnete, wenn begeisterte Blicke Deine Höhen wetteifernd maßen, die Behaglichkeit froher Genossenschaft die Herbig- keit deiner Schönheit milderte und Freundschaft selbst durch Dich gesteigert schien; denn dichter aneinander drängt sich Menschliches Menschlichem in schweigender Oede. Und doch kennt Dich nur, wer allein — ganz allein — zu Dir sich getraute. Wer mit zaghaft kühnem Fuß nie betretene Wege erllomm, bis in schwindelnder Höhe die letzte Hütte, bis jedes Wahrzeichen menschlicher Nähe schwand, bis der Schritt des Rastlosen alle lebende Creatur, das letzte kümmerliche Grün überholte, und Du wie mit glänzenden Niesenfittichen ans Himmel und Ueber- himmel hcrabschwebtest, mit Deinem unbewegten Hauche die lautloseu Höhen füllend, mit Deinen Schauern wie eines Schöpfungsmorgens, in dem das lebendig Athmende noch nicht zu leben vermag, Odem und Empfindung rings umher erlöschcud, außer in der verwegenen Brust, die sich Deiner Göttlichkeit zu- drängte, bis, umstarrt von zackigem Geklüft, umblendetvon schrankenlosenSchnee- gefilden, die keine Sonne je geschmolzen, nmgraut von dämmernden Abstürzen, der Welt enthoben durch flackerndes Wolken- geriesel, die erschrockene Seele wieder hinabstrebt, zage zu entfliehen den wuchtigen, zermalmenden Schrecken Deiner Riesenschönhcit; hinab, sich — gleich dem Kinde in die Falten des mütterlichen Gewandes — in die grünen Schatten der Niederung, in die engen Hütten des (Nachdruck verboten.) Felsthales zu verstecken, übersehnsüchtig nach menschlicher Gegenwart. So war ich, ein Tollkühner, durch das Hochgebirge gewandert, über glänzende Firnfelder, neben drohenden Lawinen, über stOnübersäte Halden, über schroff abfallendes Gehänge. Und so erreichte ich. von Schauern übersinnlicher Größe erschüttert, Mariafels, eine einsame Klippe, auf deren starrem Felsenscheitel eine freundliche Stätte dem Wanderer gastlich Schutz gewährt. Schon ehe ich den Aufstieg wagte, hatten sie mir im Thale von dem Hannes erzählt, dem „Wetterhansel", der dort 3460 Meter über dem Meeresspiegel auf seiner meteorologischen Station die Einsamkeit zur einzigen Gefährtin habe, außer in den zwei oder drei Monaten des Sommers, wo eine Köchin und eine Schenkin hinaufzögen, um den Sommerzüglern Mahl und Obdach zu bieten. Doch erst jetzt, da ich, von den höchsten Gipfeln mich abwärts wendend, die ganze Furchtbarkeit dieser gigantischen, felsenumschrofften Welt kennen gelernt hatte, ahnte ich, was dieser Mann ertrug, und daß, der's ertrug, ein außergewöhnliches Menschenkind sein mußte. Nachdem ich in der Gaststube mich erwärmt und erquickt hatte, betrat ich mit gefälliger Erlaubniß seines Bewohners den Observatiousraum, ein hohes, mäßig großes Zimmer, angefüllt mit mancherlei wunderbaren und höchst sinnreichen Apparaten, wie sie die Wissenschaft erfunden und errichtet hat, um der Natur ihre verschwiegensten Geheimnisse abzulauschen und sich zum Herrn über Wolken und Winde machen zu lernen. Den Mittelraum nahm der große Barothermograph ein, ein gar seltsames, wohl drei Meter hohes Instrument, dessen complicirtes Röhren-, Kolben- und Räderwerk nicht nur alle Schwankungen der Temperatur,
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