Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

30 Am andern Morgen war es schneidend kalt, und Jeder graute sich davor, das mollige Bett zu verlassen. Ziemlich spät fand man sich endlich am einladend gedeckten Kaffeetisch zusammen. Allen sah man die durchschwärmte Nacht an und der Vöslauer hatte mehrere gehörige Brummschädel auf dem Gewissen. Der kleine Sachse fehlte noch. „Der kann sich wohl auch von seinem geliebten Bettzipfel nicht losreißen!" meinte der „schöne Otto". „Ich will doch einmal nach ihm sehen." . Er ging hinauf und klopfte an die Thür des Sachsen. „Herein!" tönte es drinnen und eintretend sah er denselben im Bette sitzend, die Nachtmütze auf dem Kopfe und ein dickes Plaid um die Schultern. „Guten Morgen, Herr Rosemann! Weshalb kommen Sie denn nicht herunter?" fragte er. „Guten Morgen!" erwiderte mit der kläglichsten Miene von der Welt der Sachse. „Härense, sähense, Ihr Rübezahl is ü schlechtes L. . . .!" Sogar im Bette hat er mich nicht in Frieden gelassen. Seit zehn Jahre nehme ich meine Wärmeslasche mit ins Bett und noch nie ist mir etwas bassirt. Heut Nacht ist sie mir natürlich ausgelaufen und grade auf meine Unaussprechlichen. Was soll ich denn nun machen? Anziehen kann ich sie doch nicht so klitschenaß." „Aber, wie kommen denn Ihre Unaussprechlichen mit der Wärmeflasche in Berührung?" fragte Miller, sich krampfhaft das Lachen verbeißend. „Ja, sähense, ich wollt' mir ja gestern Abend meine Wärmflasche selber füllen, aber da kam das Stubenmädel und wollt's doch partout besorgen. Natürlich hatte das dämliche Frauvolk zu heißes Wasser hineingefüllt und wie ich mir die Füße daran wärmen will, mußte ich sie schleunigst wieder wegziehen, sonst hätte ich sie mir unfehlbar verbrannt. Da habe ich mir nun aber die Unaussprechlichen darumgewickelt und nun hab ich die Bescheerung. Nee so ein Pech kann auch blos mir bassiren!" Der Apotheker biß sich fast die Lippeu blutig, um nicht laut aufzulachen, was Herru Rosemann in seiner jetzigen geknickten Stimmung arg beleidigt hätte. „Na," meinte er gutmüthig, „gebeu Sie nur Ihre Säulenhülleu her. Ich werde sie mit hiuunternehmcn und trocknen und bügeln lassen. So wie sie fertig sind, wird sie Ihnen das Mädchen heranf- bringen." „Um Gotteswillen! Sie werden mir doch nicht das Mädel auf den Hals schicken," zeterte Rosemann. „Ich schäm' mich zu Schanden, wenn die hier herein- kommt!" „Ganz wie Sie wünschen. Da mag sie der Wirth heraufbringen," beruhigte der Apotheker deu schamhaften Sachsen. Die Anderen bogen sich förmlich vor Lachen, als der Apotheker das neueste Abenteuer des Reisegefährten erzählte nnd man beschloß geduldig mit der Abfahrt zu warten, bis die Pantalons getrocknet sein würden. Nach ungefähr einer Stnnde erschien Herr Rosemann, etwas verlegene Blicke auf die Damen werfend, denn daß der Apotheker nicht reinen Mund gehalten, bemerkte er sofort an den heiteren Gesichtern der Herren, während die Damen es krampfhaft ver- nrieden, ihn anzusehen, weil sie sonst losgeplatzt wären. . Nachdem Herr Rosemann sich bei der Wirthin noch das Recept zur Weinsuppe ausgebeten, rüstete man zur Abfahrt. Draußen besah und befühlte er jeden Schlitten einzeln und suchte sich unter den Führern einen grauköpfigen Alten heraus, der nach seiner Ansicht das vertrauenerweckendste Gesicht besaß. Während er nochmals den für sich ausgesuchten Schlitten mit kritischen Blicken maß, hörte er, wie der Rechtsanwalt Franke einem Führer eine Mark Trinkgeld versprach, wenn derselbe die Dame in seinem Schlitten an einer ungefährlichen Stelle sanft aber gründlich in den Schnee befördere. DieDame warNiemand anderer als seine eigene Frau, mit der er sich stets zu necken pflegte.

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