Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

24 In Hirschberg beim Aussteigen bot Herr Rvsemann ein wunderbares Bild. Er hatte sich von einem Freunde ein paar hohe Stiefeln aus Seehundsfell geliehen, welche ihm bis weit übers Knie hinaufgingen, und in denen er wie ein Eskimo aussah. Der „schöne Otto" hatte sich ebenfalls von einem Bekannten ein paar hohe Pelzstiefeln geborgt, welche aber den Pelz inwendig hatten. Sie waren ihm übrigens ein gutes Stück zu groß und somit hatte er einen rechtseltsamen schlurrenden Gang darin. . Vor dem Bahnhöfe standen schon die beiden bestellten Schlitten und nachdem man zur Vorsicht nocb etwas Warmes in Gestalt mehrerer Tassen Bouillon zu sich geuommen, bestieg man die Schlitten, konnte aber noch nicht abfahren, weil der kleine Sachse noch fehlte. Endlich erschien er, von schallendem Gelächter begrüßt. Trug er doch in der Rechten eine leibhaftige kupferne Wärmflasche, für welche er eben am Büffet um „ä Deppchen heeßes Wasser" gebeten hatte, damit sie ihre wohlige "Wärme von Neuem auszustrahlen vermochte. Mit großer Umständlichkeit hatte er sie endlich in seine Fnßtasche prakticirt und nachdem er sich gehörig vermummt hatte, konnte die Fahrt losgehen. Es war bitter kalt und ein scharfer Wind pfiff um die Ohren und färbte gar bald sämmtliche Nasenspitzen intensiv roth. Jetzt kam man auf die Chaussee, welche nach Warmbrunn führt und schon zeigte sich das Gebirge in seiner ganzen winterlichen Pracht. Namentlich die Schneekoppe sah in ihrem blendend weißen Schneemantel besonders herrlich aus und leuchtete, vom hellsten Sonnenschein übergossen, weit hinaus in majestätischer Schönheit, Aber auch die Landschaft war äußerst reizvoll. Die kleinen Häuser lageu förmlich im Schnee vergraben, die Zweige der Bäume und Sträucher in ihrem zarten Reifschmucke hoben sich prächtig vom klarblauen Winterhimmel ab und glitzerten im Sonnenschein wie mit tausend und abertausend Diamanten besäet. Laute Bewunderungsrufe ließen sich fortwährend vernehmen und der kleine Sachse, welcher auf dem Rücksitze im ersten Schlitten saß, war ganz begeistert von dem wunderschönen Anblick. Aus einmal schrie er laut auf und machte einen förmlichen Satz, so daß ihn sein Nachbar erschrocken beim Arme faßte, weil er nicht anders glaubte, als er wolle aus dem Schlitten springen. Der arme Schlucker hatte einen Peitschenhieb ins Gesicht bekommen und fuhr nun wüthend den ungeschickten Kutscher an. „Härense, nähmense sich gefälligst da oben mit Ihrer Rhinocerospeitsche mehr in Acht,. Sie sind doch nicht in Afrika und ich bin ooch noch lange kein Schwarzer! . Die andern Insassen des Schlittens hätten sich, trotzdem ihnen der arme Sachse leid that, am liebsten vor Lachen gewälzt, wenn sie nur den genügenden Platz dazu gehabt hätten. Herr Rosemann aber strich sich noch immer seine mißhandelte Wange, auf deren von der Kälte straff gespannter Haut sich ein langer dunkelrother Striemen abzeichnete. . „Das brennt wie höllisches Feuer!" jammerte er und seinen Handschuh abstreifend, griff er nach einer Handvoll Schnee, um seine Wange damit zu kühlen. Pflichtschuldigst lief ihm aber das Schneewasser in den Aermel und wie verrückt schlenkerte er mit dem Arm in der Lnft herum. „Pfui Spinne!" schrie er erbost. „Jetzt hab' ich die Kühlung an der unrichtigen Stelle. Der Tag fängt ja heut recht schön an." „Ja, sehen Sie, dafür sind wir auch in Rübezaht's Revier," ließ sich der Doctor Steffens vernehmen. „Da muß man sich auf solche Streiche gefaßt machen. Rübezahl läßt Keinen ungerupft auf seinem Bereich einhergehen und Diejenigen, welche das-

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