Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

21 Der Spielgewinn der Damen wanderte mit in die Scatcasse; dafür hatten sie die Berechtigung, an der alle Jahre unternommenen Partie, welche von dem Inhalt derselben bestritten wurde, theil- zunehmen. Zwei Sommerpartien waren schon zu allseitiger Zufriedenheit veran- staltet worden und dieses Jahr hatten es die Damen durchzusetzen verstanden, daß eine Hörnerschlittenfahrt beschlossen wurde. Nach langem Hin- und Herreden hatte man sich endlich für die Petcrbaude und Fußsäcke wegen kaum zu rühren vermochte, trotzdem vorschriftsmäßig noch eine Person darin hätte Platz haben müssen, denn nur in der einen Ecke saß ein, ebenfalls in Pelz und Reisedecke bis an die Nasenspitze eingehüllter fremder Herr, welcher von den sechs neuhinzu- gestiegenen Personen gewaltig beengt wurde. Nachdem man die vorläufig noch unuöthigen Fußsäcke mühsam in den Gepäcknetzen untcrgebracht und sich endlich entschieden uno, nachdem mau mit Hilfe des Kalenders festgestellt, daß am 10. Februar Vollmond sei, wurde dieser Tag zu der Fahrt bestimmt, denn ohne Mondschein ist eine Hörnerschlittenfahrt nur ein halbes Vergnügen. Pünktlich fand man sich am Bahnhöfe ein und die theilweise höchst originellen Vermnmmungen zum Schutze gegen die Kälte erregten schon auf dem Perron ein nicht endenwvllendes Gelächter, das jedoch seinen Höhepunkt erst im Coups erreichen sollte, in welchen: man sich der dicken Sachen und der vielen Decken einigermaßen zurechtgesetzt hatte, ließ sich plötzlich die Stimme des Fremden im höchsten Discant vernehmen: „Entschuldigen Sie gietigst, aber es muß sich Jemand anf meine .Bälzmütze' gesetzt haben." „Ei, Herr Jeeses, da haben wir einen gemüthlichen Sachsen bei uns!" rief erfreut der dicke Rechtsauwalt Franke. „Da sind wir ja Landsleute. Sie sind gewiß aus Drüsen?" „Nu nee, aus Drüsen nicht, aber aus Chemnitz," erwiderte freundlich der Fremde. „Mein Name ist Rosemann

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