Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

18 Angesichts des strafenden Gerichts zu gelten: er oder Hans! — Er klammerte die Nägel der geballten Faust in die Handfläche hinein und preßte die Lippen fest übereinand, und als der Oberrichter ihn wieder beim Namen aufrief, schleifte vortretend sein Fuß wie gelähmt auf dem Boden, seine Augen rollten unstet, das Halstuch war ihm zu eng und schien ihn zu würgen, dicke Tropfen brachen aus feiner Stirne und standen auch auf seinem kahlen Oberkopfe. Die Versammlung regte sich nicht, in lautloser Gespanntheit horchte sie jedem Worte, folgte sie jeder Bewegung mit unvermeidlichem Blicke. Der Richter gab uochmals dem Crucifix eine Wendung, so daß der Heiland gerade Eggcring vor das Gesicht kam. Michaelas Brust wogte heftig, der Athem ward hörbar. Der Richter forderte, er solle seine Hand zum Schwüre heben. Eggering that es langsam, schwerfällig, die Finger waren nicht gestreckt und die Hand fiel zitternd zurück. Michael machte rasch eine Anstrengung und riß sich empor, er war glühroth im Gesichte, die weißen Flecke wurden noch blässer — der Präsident sprach die Worte des Schwures vor und Michael sollte sie nachsprechen, er öffnete den Mund fast krampfhaft, seine Zunge rang, und wie er sich zum ersten Worte heben wollte — stieß er plötzlich einen gellen Schrei aus itnb stürzte, fast im Bogen, rücklings! Ein Entsetzensschrei ging durch die ganze Versammlnng, die Richter erhoben sich —der anwesende Gerichtsarzt sprang rasch hinzu, zog ein Messer, schnitt den linken Aermel des Umgesunkenen auf, und schlug zur Ader. Ein kleiner, zollhoher, schwarzrother Strahl sprang heraus —- jedoch uicht mehr— aus Mund und Nase drangen einige Tropfen, mit allen Zeichen der Leblosigkeit infolge eines Schlages, denn eine überspannte Ader war ihm innerlich gerissen, ward er aus dem Saale geiragen — die Gerichtssitzung ward aufgehoben. Auf ein Bett im Gerichtshause gebracht, kehrte infolge der rastlosen ärztlichen Mittel das Leben wieder, das Gesicht war schrecklich verzerrt, die Gliedmaßen waren gelähmt, nur die Augen rollten wild. Der Herr Pfarrer erschien, ihm den letzten Weg und die Seele zu erleichtern. Die Zunge konnte er jedoch nicht mehr heben, einige Finger seiner Rechten zuckten, man schloß daraus, daß er noch schreiben wolle, drückte ihm einen Stift zwischen die Finger und schob ein Blättchen Papier hin, eigentlich darunter, er machte mit schwerer Mühe einige Zuge, man entzifferte sie, sie lauteten: Ich selbst. .. 7 f f (und drei Kreuze). Die drei Kreuze sollten wohl: Gc rechtigkeit — Rene — und Erbarmen bedeuten! Nach zwei Stunden lag eine Leiche im Gerichtshause. Hans Mosner ging noch einmal, und das in der Nacht — Niemand sollte ihn in so ernster schwerer Zeit in seinem Dorfe sehen — zum Friedhofe, um an dem Grabe seiner Mutter zu beten, dann rückte der Urlauber ein in sein Bataillon. Nach mehr als einem Jahre, im zweituächsten Frühjahre, kehrte mit den ersten Lerchen der „Herr Oberjäger" in voller Uniform ins Dorf zurück. Der Herr Major ging mit ihm. Die Leute, die des Weges kamen, hielten an — einige schrien plötzlich freudig „Hans!" oder „Mosner!" auf und herzten und drückten ihn. Die Weiber konnten aus den Fenstern und Thüren des Guckens nicht genug bekommen. Als Alles Abends vom Felde heim- kehrte — war da eine freudige Aufregung im Dorfe! Der Platz vor der Kirche füllte sich wie am Sonntage, das Wirthshaus war voll und übervoll! Aber der Major wußte das schon zu veranlassen, daß mit Hans nicht viel, oder gar nicht über vergangene Zeiten, desto mehr über kommende gesprochen

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