Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

Wirkung auf sein Geinüth versuchen. — Die in Gcrichtsverwahrung gekommenen Zitherscherben wurden an Hans in's Gefängniß gegeben, und der arme Bursche flickte und pappte, selbst mit seinem Brote, und band, mit Fäden, die er ans seinen Kleidern zog, daran herum. Wie er den ersten leisen Ton wieder herauslockte, war er glücklich wie ein König, und er jauchzte iu überschwenglicher Wollust auf, als stände er selig und frei wieder hoch oben am Kreuze und käme wieder froh und jung und leidlos ins Hei' matsthal! Manchmal standen die Weiber, Männer und Kinder nicht ferne des Gefängnisses, und hingen ihr Auge an die Fenstergitter und lauschten den leisen, todeswehen, traurig - lustigen, unaussprechlich durchrieselnden Tönen. Der Major ritt selbst eigens auf die Station herüber und fütterte sein Pferd im nächsten Wirthshause, und halte sonderbarerweise immer so viel beim Pferde, das er an die Krippe vors Thor zu binden befahl, zu thun. Und am Allerseelentage — mau weiß nicht, wie es kam — mußte der Hans herausgelassen werden. Der Major sagte Denen, die ihn fragten, der Haus könne seinen Verstand verlieren und das wolle ein löbliches kaiserliches Gericht nicht; man wolle ihn Allerseelen auf das Grab seiner Mutter lassen. Zudem habe der Major für seine Person gntgestanden. Der Richter legte das zu den Acten, gleichfalls ein langes ärztliches Parere, und auch, daß er den Hans auf vier- undzwauzig Stunden hinansgelassen, um ihn geheim beobachten zu lassen, ob er nicht etwa nach dem verborgenen Gelde sehe. Hans wankte auf die Straße ins Licht hinaus, die Zither sorgsam hinter dem Rock verborgen, der sie doch nicht ganz decken konnte und dennoch sehen ließ, und dann einen langen Stock in der Hand; — er warf einen großen feuchten, starren Blick nach der Sonne, dann schritt er bleich und abgezehrt, wie er war, demüthig mit zur Erde gesenktem Blicke seinen traurigen Weg weiter. Nnr manchmal hob er seinen Kopf, wie wild trotzig, empor, als wollte er die ganze Welt herausfordern und zum Hiehersehen ausrufeu; aber — das verflog ihm bald. Und wären es tansend andere Menschen gewesen, sie hätten sich schwerlich viel anders benommen als er. Auf Erden nnd bei Menschen war Alles für ihn verloren. Nur ein Grabhügel war sein Alles auf der Welt, dort war er noch ein reiner ganzer Mensch. Sein Kerzleiu aufs Grab hatte er sich vou seinem Brote erspart. Das leuchtete in der Nacht — wie das eines jeden Anderen. Aber die Dorfleute wichen ihm aus, drückten sich scheu vor ihm — nur die Weiber hoben ihre Schürzen zu deu Augen und weinten bei seinem Spiele. Als er wieder Abschied genommen, ohne Anne Marie gesehen zu haben, die sich wehevoll barg und bergen mußte, uahni er seinen Weg vor des Eggering's Haus vorbei. Eggering sah durch eine Astluke des Einfahrtsthores, denkend: Wenn sie ihn jetzt schon loslassen auf kurze Zeit, so kommt er sicher bald ganz wieder.--------Er folgte jeder seiner Bewegungen. Als Haus vor dem Haus vorbeikam und wieder Niemanden am Fenster sah, griff er in seine Brust; dort hatte er ein klein Streifchen Papier verborgen, vom Evangelium losgcrissen, das ihm im Gefängniß zur Erbauung gegeben ward, und darauf hatte er mit einem Strohhalm und einem Bischen Schwarz, von seinen Schuhen geschabt, mühsam ausgeschrieben die Worte: „Anne Marie — ich bin unschuldig!" Das Stückchen Papier trug er längst am Herzen und hatte es mit Aengsten und Bangen geborgen, hoffend: einmal könne er es ihr doch heimlich zukommeu lassen!

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