Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

12 unten bereits mehrere Stimmen hinaus: „Das Preßhans ist erbrochen!" * * Binnen einer Stunde begab sich der Ortsvorstand mit den Beiräthen an den Ort des Verbrechens, um den Thatbestand anfzunehmen und an die nächste Gendarmerie die Anzeige zu machen. Der Gemeindeschreiber nahm ein genaues und umständliches Protokoll auf. Mau erschöpfte sich in Untersuchungen und Vermuthungen. Mari frug, ob das nicht ein Act der Rache oder Bosheit von einem Feinde sein könnte? Eggering wußte Niemanden zu bezeichnen. Als er die Thüre, an der das Schloß erbrochen war, wieder zulehnte, um sie nochmals von innen zu besehen, bemerkte er zwischen ihr und dem Pfostenwinkel ein kleines Stück Tuch. Er bückte sich, um es zu heben. „Was ist denn das?" — Mehrere beguckten es sofort, und Eggering zeigte es fragend dem Schreiber und den andern Leuten vor. „Habt Ihr kein solches Tuchkleid?" frug dieser. „Daß ich nicht wüßte!" „Bei einer solchen Sach' ist das Geringste wichtig!" „Hat keiner Eurer Knechte desgleichen?" „So trägt sich Keiner in unserem Dorfe. Das ist ja hechtgraues Militärtuch!" sagte der Richter. „Bei meiner Seele!" rief der Notar, „das ist ein Fetzen von einer Jägeruniform." Zwei Gendarmen mit geschulterten Gewehren und aufgepflanztem Bajonnett durchschritten das Dorf; die kleinen Fenster öffneten sich und es erschienen Köpfe, die ihnen lauge nachsahen; auch an deu Thoren erschienen allerlei Lcnte, die ihre Blicke ohne Abwenden hinterher sendeten. Die Gendarmen gingen schweigend und geradeaus, die ganze lange Gasse hinauf, bis wieder vor das Dorf ins Freie, in die Umgebung des Kirchhofes — dort verschwanden sie hinter den Bäumen, Sträuchen u. s. w. Es dauerte nicht lange, so kehrten sie zurück, einen Burschen in der Mitte, den die Soldateumütze als Urlauber kennzeichnete. Wie er ans obere Ende des J Dorfes kam, da ward ihm gar so wehe und er schluchzte laut auf und blieb stehui und fing fast zu rasen an im Schmerze. Die Gendarmen, rasch bei der Hand, bewältigten ihn, denn sie wußten ans ihrer Erfahrung, daß man in solchem Momente sich des Besten wie des Schlimmsten nicht versehen könnte; und ehe Hans noch bitten, rufen konnte, waren seine Hände übereinander gekreuzt und eine eiserne Handschclle war darüber geschlossen. Da war er mit cinemmale wieder laut- und tonlos, wie ein w.hvoll sinnendes Kind — sein Haupt neigte sich abwärts, sein Blick ging zur Erde, und er wankte stumm und bleich wie der Tod vor den Gendarmcn daher. Die Anklage war ernst und schwer. Im Preßhause Eggering's draußen bei den Weingärten, "das mit einem Keller in Verbindung stand, war ein gut Stückfaß eingeschlagen und der Erdboden sumpfig vom ausgeronnenen Weine. Aus einer festen eichenen Tischlade waren zweihundert Gulden gestohlen, die in einem Einschrcibebnche gelegen hatten, das zudem zerfetzt ward. Das Stück Tuch paßte ganz genau in den Aermcl- nmschlag von Hans Mosner's Urlaubsrock. Seine Hände waren zerkratzt und schorfig, wie von ganz frischen Schäden bei einer gewaltsamen Arbeit. Er war der Einzige im ganzen Dorfe, dem der Michel Eggering ein Leids zugefügt hatte, und das nicht aus Vorsatz. Er hatte als Urlauber weder Besitz noch Arbeit, auch keine Lust nach solcher gezeigt. Im Dorfe war Niemand, bei dem er am selben Abende gewesen wäre, nnd die Gefragten sagten alle aus, er hätte auch gar nicht Zither gespielt wie sonst die paar Tage her. Man habe ihn

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