Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

gehen; er hatte sich früher nur für verlassen und verschmäht gehalten. „Und hast mich so leicht lassen können?" „Nur ein Wort, wenn Du mir hätt'st sagen lassen, und wär's im kalten Winter g'wesen, ich wär' barfüßig mitten im Schnee zu Dir 'gangen, so weit, so weit als Du nur g'wollt hätt'st und g'wesen wär'st!" „Ja, ja," sagte er, und wühlte bald mit der einen Hand in seinen schwarzen reichen Haaren, bald griff er krampfhaft nach seiner Brust, „ich hab'nit g'schrieben!" „Du hast keiu Sterbenswörtl von Dir vernehmenlasseu, undAllehab'n mir g'sagt, die Fremd' is gar groß und weit—und ein Bauernbursch z'Haus und ein Kaiserjager in der Welt, das is zweierlei!" „Ich hab nit g'schrieben," sagte Haus voll Weh; aber wenn ich hätt schreiben sollen, oder ich hab's wollen, da war's mir immer, als wär' der Brief ein ganz Anderer als ich — und das gar nit, was ich hätt' sagen mögen und müssen — und da hab' ich's im Leichtsinn gar g'lassen!--------Ich hätt' eher 'glaubt, Du laß'st von Dein' Leben, als von mir, bis ich komm'; und wann ich hätt' g'wußt, Du heirat'st, ich wär' eher desertirt, und wenn's mich dann auch erschossen hätten!" . „Gleicherweis, Hans, war's mir auch — Aber was is das Dorf gegen die ganze Welt? Und was mein Verstand gegen Alle? — Was für böse, bitterböse Gedanken kommen nit in so langer, ewiger Zeit? — Hans! wir sein alle Zwee so arm, so blutarm! —• Meine Mutter is noch älter und schwächer und kränker word'n. — Der Eggering-Michel ist als Wittiber kommen und hat gar so treu und fleißig um mich ang'halten. Und ich hab' gar Niemanden auf der Welt mehr g'habt; die Senf haben mir zug'red't, und mei' Mutter, mei' Mutter vor Allen. , . ." „Vor Allen!" fuhr Hans heftig auf. „Is gar so alt und arm!" setzte sie tiefinnigst, mit zitternder Stimme ergänzend fort. „Der Eggering versorgt s' und sie hat ein Ansgcdiug für ihre alten Tage." _ Hans schwieg eine kurze Weile bewältigt, dann hob er wieder an: „Früher hab' ich 'glaubt, Du magst mich nimmer und acht'st mich g'ring. Und es war so eine Art süße Pein, herzzerschneidende Selbstpeiu für mich und für Dich, die ich mir in der Erinnerung unserer alten Lieb anthun wollt'. Noch ein' Abschied hab' ich haben wollen und hätt's meine ganze Seligkeit gegolten! Aber jetzt, wo ich weiß, Du hast mich noch gern — und g'hörst ein' Andern — ist mir erst doppelt weh, übergießt mein Herz so heiß, so ganz und gar wie mit lauter Thränen!" — Einen Augenblick schwieg er. „Ich seh's, es hat uit fein sollen! Hätt' mich der Kaiser nit braucht.... daß Du mich noch im Herzen hast, das ist mein Trost — und mein Verderben!" „Hans, Gott ist mein Zeuge, ich bin unschuldig an Dir und mir!------- Hätt' ich 'glaubt, Du magst mich noch immer, wär' ich dabei geblieben — es wär' mir besser! — Erst jetzt, erst jetzt! . . . und ein Strom von Thränen unterdrückte ihre Stimme. Aber noch unter Thränen sprach sie weiter: Aber Hans, ich bitt' Dich, kränk Di nit und laß Dir nit gar so weh' g'schehen — es nutzt uns allen Zween nix — wir müssen von einander!" „Anne Marie!" rief Hans bewältigt ans, und wollte sie in seine Arme schließen. . , Sie streckte abwehrend die eine Handfläche vor sich. „Und — wenn's — uns ans Leben gehen sollt!" preßte sie hervor, indem sie ihre weißen Zähne in die Unterlippe biß. Hans zerdrückte fchmerzensvvll eine Thräne und murmelte etwas, es war als hätte es „ans Leben — wir müssen" gelautet. Anne Marie streckte ihre Hand zitternd zum Abschieds und sagte: „Jetzt ist's vorbei! — B'hüt Di Gott!" „Soll's denn sein — sein für immer?"

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