Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

8 Nur amol iw, uuw< uo Wann i Di reden kumit - Geh sag mer a Wort, Oder i geh zu Grund! I will nix und such nix — Mir is so angst und weh — Sag mer nur p'fid Gott, Daß i ruhig sterben geh! Sie hörte und sog das Gift der süßen Worte nur noch tiefer in sich hinein und wollte sich nur noch wehr in Thränen lösen. Dann war es ihr, als ob die Klänge, die näher und näher gekommen waren, nun allmälig langsam sich entfernten, dann wieder in gleicher halblauter Schwebe blieben, als wenn der Sänger sich auf einen Punkt gestellt Hütte. I will nix . . . und such nix, Mir is so äugst und weh Sag mer nur pfld Gott, Daß i ruhig sterben geh! Ihr wollte es das Herz zersprengen! — Sie ließ sich langsam vom Fensterbrette herab, sie sah sich im dunklen Zimmer um, gleichsam als wollte sie sich versichern, daß Niemand da sei — sie strich sich wie im Traume über die Schläfe, und das Haar etwas zurück, als wäre ihr „was angethan worden" — dann wankte sie zur Thüre — draußen klang die Zither noch immer leise und geisterhaft — sie schritt über den Hof — — die Knie wankten unter ihr — sie ging aus dem Hausthore — und einmal dies hinter sich, auf die Straße — den Klängen nach, als hinge ihr Herz an einem unsichtbaren Faden — den vor ihr schwebenden Tönen nach, nach — ihr Herz mochte aufschreien in Wonne und Weh gleichzeitig — — den voranziehenden Klängen nach ■— bis hinaus vor das Dorf — beim Kirchhofe. Dort an dem schwarzen dicken Stamme eines alten weitschattigen, leise rauschenden Nußbaumes fiel etwas zur Erde, eineu Klang austönend wie einen Aufschrei — es war die Zither — und gleichzeitig rief es: „Auue Marie!" Ehe sie noch in den schwarzen Schatten treten wollte, war sie schon hineingezogen und schluchzte selbst: „Hans! Hans!" und zwei Menschen lagen sich in den Armen, für deren Wonne und Weh gar keine Sprache ein rechtes Wort hat, noch je halnn wird; denn ausgesprochen ist das Alles, wie wenn man die Maisonue und die Sonnen- 1 wärme mit schwarzen Strichen malt. Als sie zum ersten Male ihr armes Haupt auf seine Schulter legte, da hatte sie gar kein Bewußtsein, da wußte sie nicht wie ihr geschah und was mit ihr vorging; als sie aber wieder zu sich ge- kommcu war, hob sie ihr Haupt und wollte fort. Hans, selbst zitternd, griff unwillkürlich und rasch nach ihren zitternden Händen, und wie sie so einen Augenblick standen, waren sie ermattet, daß sie ein Kind hätte von einander bringen können. Bald aber gewann sich Hans wieder mehr selbst, drückte ihre heißen fiebernden i Hände und sagte wehmüthig: „Anne Marie — so müssen wir uns sehen?" Die schweren Thränen rollten über ihre Wangen, die blaß waren wie die Wangen eines Heiligen auf den alten Bildern in der Kirche. Sie wollte eben versuchen zu sprechen, da drängte Alles aus Hausens Brust hervor, was er sich vorgenommen nicht zu sagen. — „Du hast mich gar, gar so unglücklich g'macht!" — Das verfehlte auch nicht, den letzten Schlag auf das arme Herz Anne Mariens zu versetzen, es zog sie krampfhaft zusammen, ihre Knie wankten und sie ward fast tief ohnmächtig. Hans faßte sie rasch um den Leib und zog sie an den Zaun des Kirchhofes, sich darauf setzend und sie in seinen Arm lehnend. Unzählige Küsse bedeckten gleichzeitig ihr Gesicht und waren ebenso viele Weckrufe, als Bitten an ihre Lebensgeister. Einen Augenblick überschlich den Mond ein kleines Wölkchen und Alles ward dunkler; als ob aber mit dem Augen- auffchlagen Anne Mariens Licht und Helle

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