Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

4 und Wolken und Ernteaussichten zu sprechen; — es war doch nicht die rege Gesprächigkeit wie bei andern Hochzeitsfesten. Die Burschen tanzten und strampften den Boden und schössen mit den Büchsen auch in die Luft, und die Mädel thaten ihr Bestes, um die Anne Marie nicht zu kränken und dem Eggering ehrenhaft Bescheid zu thun; — ab>r es war doch Alles nicht so recht herzlich — kurz „ein Umstand dabei!" Michel, der Neuvermälte, trank, trank vielleicht mehr als sonst und ihm gut war; aber er lächelte dennoch immer und forderte zur Lustigkeit aus — weun er auch heimlich die Lippen übereinander klemmte und mit sich selbst sprach. Anne Marie war ein Opferlamm. Mit ihrem frischen, etwas blassen Gesichte, dem runden Kopfe, auf dem die kastanienbraunen Haare glänzten wie polirtes Nußholz, mit ihren hellgrauen Augen, tief und klar wie ein See, mit ihrem schlanken wohlgebauten Leibe, der sich weich jeder Bewegung hingab — mußte sie heule umso mehr Sympathie erwecken, da Alle im Dorfe wußten, was der Urlauber, der heute so unver- muthet zurückgekehrt, ihr, der armen Häuslerstochter, war und gerade an diesem Tage ihr bedeuten mußte! Hans Mosner stand, eine Weile nach dem ersten Vorgänge bei seiner Wiederkehr ins Thal, vor dem so ersehnt gewesenen niedrigen, fast baufälligen Häuschen mit dem einen einzigen kleinen Fenster vorne, und er weinte bitterlich. Er stand, wie er gekommen war, mit seinem geschulterten Bündel, und wenn er sich nicht mit der einen Hand die Augen verhielt, sah er an dem Giebel hinauf, auf die Bank vor dem Häuschen, auf deu Fensterrahmen, er kannte sogar noch die eine zerbrochene Scheibe, die mit Blei geflickt war, und er sah Alles so treuherzig, so wehmüthig an, als wollte er sagen: Jst's denn möglich? kann's denn sein? — Alles so da, wie es war, und kein Mutterauge, keine Mnttcrhaud, kein Mutterherz dabei! Der arme Häusler, der nun drin, und das nur für Taglohn, wohnte, denn das Häuschen war längst von der armen alten Lisbeth verschuldet und verschrieben, tröstete wohl deu armen Haus und sagte ihm wie Alles kam, wie mau ihm das Herz nicht im fernen, fernen Lande noch schwerer machen gewollt; — aber was konnte das nutzen? Nur einen Weg gab's noch für ihn, nur eine Heimat hatte er noch in diesem Dorfe — Verwandte besaß er nie, denn seine Mutter war da nicht geboren — und diese eine unentreißbare, theure Heimatsstätte, die sein Einziges und Alles, sein Höchstes und Getreuestes enthielt, war das Grab seiner Mutter auf dem Kirchhofe! Das frische kühle Gras barg auch bald sein in Thränen genetztes Antlitz und erfrischte seine brennenden Wangen. Wer beschreibt den Schmerz eines Sohnes, der nach jahrelanger Trennung seinem Einzigen und Allen, seinem Mütterlein in die Arme sinken will, und nur ein Stück aufgeworfener Erde findet, um seine Brust daran zu drücken? Für Haus kam noch etwas dazu. Heute rasselte kein Wagen, wieherte kein Pferd, lärmte weder Geflügel noch Stallvieh, pochte und Ilingelte auch uicht der Hammer des Schmiedes, um so Manches zu übertönen; heute zogen hell und laut und klar deutlich vernehmbar die lustigen jauchzenden Töne herüber, die „Ländler", die seiner, seiner Geliebten znr Hochzeit mit einem Andern anf- spielten! — — Er hätte mögen den dürren Ast, den sie seiner Mutter zum Kreuzlein gebunden, mit den starren Bruchzacken sich ins'Herz drücken — um Allem, Allein mit einemmale ein Ende zu machen! Der Faßbinder - Kilian sah doch endlich zu ihm hinüber und sagte ihm, er soll kein dummes Zeug machen und gescheit sein, und was derlei mehr ist, was man sagt, wenn man weiß, daß der arme Trauernde, Verzweifelnde Recht hat, und man ihm doch nicht klüger

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2