Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

2 Er war ein schmucker Junge, der etwas kleine aber schlanke Jäger auf Urlaub, Hans Mosuer; und wie er daherschritt, von der warmen Gottessonne beschienen, der aber auch heute kein Wölkchen am blauen Himmel nahe zu kommen wagte; wie er daherschritt, hoch oben auf dem Berge, zwischen dem Tannengehölze, auf einem Fußsteige, seinem Heimatsdörfchm zu — den Stock, an dem ein gar kleines Bündelcheu schaukelte, hinten über die Schulter hinaus — mau hätte ihm nicht leicht gram sein können! Und wenn er „die Welt und a Gschloß dazua" für zu wenig ausschrie, um das Vergnügen abzulösen, das er jetzt empfand, so hat er nur das ausgetönt, was in seinem Herzen wohnte und wurzelte, sowie eine Tanne im Grund. Dieser Berg führte ihu nicht geradew egs auf gleicher Höhe heim; diese hochgehvbene grüne Säule zwischen Erde und Himmel war nur der Stützpunkt, an den sein liebes Heimatsdörfchen, fast wie ein Beter in der Kirche, sein Haupt lehnte. Wie das Kind an den Busen der Mutter, so schmiegte es sich auch an die Brust der Bergwaud, die sich sanft abdachte; und wie das Kind im Schoße eines liebsorgsamen Weibes, so lag anch die Häusergruppe in einem kleinen, von Berg, Strom und Wald umhegten Thäte — der lieben Frau: Gottes Natur! Das Alles sollte Hans Mosner jetzt sehen; und nicht etwa sehen langsam aus der Ferne, wie Nebel auftauchen; nicht am tiefen, tiefen Himmel dort ein Spitzlein — den Thurm — der immer mit dem Himmel emporwächst und immer größer wird, und endlich ein hohes Dach, und endlich hinter Buschwerk ein Gemenge von Giebeln — das ganze wirr durcheinander stehende Dorf; — nein, mit einemmale sollte es sonntagsfestlich vor ihm stehen, unter ihm eigentlich; mit einemmale sollte er Thurm und Dach und Wege und Straßen erblicken, wie ein beleuchtetes Krippenspiel inderChristnacht, hell und klar — hoch oben vom Berge, sein Dörfchen unten im Thäte! Darum schritt er so rüstig deu nur Wanderern und nicht den Fahrzeugen zugänglichen Fußweg, und darum pochte sein Herz so laut wie einem Kinde, vor dein sich jeden Augenblick die Thüre öffnen und der Weihnachtsbaum im vollen Lichterglanze zeigen konnte. Nach seinem Jauchzen schwieg er. Dort stand ein Kreuz; — noch einige hundert Schritte und er sollte es erreichen — das Kreuz ist der Scheidepunkt zwischen hoch oben und abwärts; — die Aussicht ins Thal! Und doch litt es sein ganzes Wesen in ihm nicht, daß er langsam gehe die letzten hundert Schritte; — er sprang vor, klammerte sich am Kreuze mit der einen Hand fest, wie um die Hüfte einer Geliebten, ließ den Stock los, daß das Bündel zur Erde fiel, und schwang seine Mütze hoch in die Luft: Juchhe! Das war jedoch nur ein Augenblick — wie ein Wetterleuchten aufzuckt. Die Augen gingen ihm dabei über und er sah sein Dörfchen nicht mehr, sondern herabgesunken, am Fuße des Kreuzes lag er und betete, und dankte dem Herrgott, daß er ihn hergeführt. Wer es weiß, was Hans Mosner gelitten, als er vor drei Jahren fort gemußt, als er sich vom Arme seines weinenden, einsamzurückgelassenmMütter- leins losciß und noch manche Liebe daheimließ; wer es weiß, wie schwer es ihm ward, jetzt den Urlaub zu erhalten, der wird dem armen Burschen die Thränen wohl vergönnen und den schmerz- gemengten Jubel, und hätte Mancher auchvielleicht mit ihingebetet,daß ecAlles, wenigstens Manches noch so gut antreffen möge, wie er es verlassen! Nnn hob er sich aber empor, wischte sich mit dem Aermel rechts und links fest die Thränen weg, u^d sah, langsam den Abweg vorwärts schreitend, ins Thal hinaus. Dort auf dem kleinen Hügel rechts stand das Kirchlein; es diente auch dem Nachbardorfe abseits des Hügels zur Pfarre — und dort bewegte sich auch,

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