Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

169 wenig beitrugen. Es war ein schönes Fest, das hiemit seinen Abschluss fand und dessen glänzender Verlauf in allen Theilen vollkommen befriedigte. Am 8. September Abends fand ein Volksconcert im Musikpavillon statt. Die „Gesellschaft der Musikfreunde", der Männergesangverein „Kr äuzch e n" und die „Steyrer Liedertafel" brachten hiebei prächtige Vorträge zu Gehör, die seitens des ungemein zahlreich erschienenen Publicunis rauschenden Beifall ernteten. Nach Eintritt der Dämmerung fand wieder eine feenhafte Beleuchtung der Hauptavenue wie beim letzten „Volksfeste" statt. Zum Schlüsse des Concertes trugen die beiden genannten Gesangsvereine bei Begleitung der Militärcapelle einen Gesammtchor vor, worauf Dr. Aug ermann, Obmann des Ausstellungs - Vergnügungs - Comites, dem Militär - Capellmeister G. S ch e b e k zur wohlverdienten Anerkennung einen prachtvollen Ehrensäbel überreichte. Sänger und Publicum gaben ihren Sympathien für den Gefeierten lebhaftesten lauten Ausdruck. Den Schluß des Abends füllten die gerne gehörten Vorträge der Militärcapelle aus. Am selben Tage begann das Kaiser- i ub i l äums-Schi eßen der priv. Feuer- sch utz en-G ei ell sch aft in Stepr auf deren Schießstätte. TassAbe dauerte "bei reger Betheiligung bis 11. September, wobei von 54 Schützen 11.340 Schüsse darunter 122Vierer abgegeben worden waren. Die Damen Steyr's spendeten hiezu einen Ehrenpreis von dreihundert Kronen. Die R i n d e r a u s st e l l u n g, welche vom 8. bis einschließlich 11. September dauerte, überbot, mit prächtigstem Materiale beschickt, alle Erwartungen und übte ebenfalls eine große Anziehungskraft auf die Bevölkerung vom Lande zum Besuche der Landes-Aus- stellung aus. Hauptsächlich waren jene vier Rinder-Racen vertreten, welche unsere Land- wirlhe mit Vorliebe züchten und verwenven, nämlich die steierische Race, die Pinzgauer Race, die Montavoner Race und die Simmenthaler Race, nebst einigen Kreuzungen. An den ersten zwei Tagen war Mast-, Zug- und Jungvieh, an den beiden letzten nur Zuchtvieh ausgestellt. Zur ersteren Ausstellung waren 58, zur letzteren 73 Stück : Rinder aus Nah und Fern geschickt worden. Besonderes Aufsehen erregten die Mastochsen der Brauereien Steyr, Sierning und Enns, das Jung- und Zuchtvieh der Forst- und Domänen-Verwaltung Gleink, sowie die Simmenthaler Thiere der Schärdiuger Zuchtgenossenschaft. Am 11. September fand die Prämiirung der ausgestellten Rinder statt. Es kamen Hiebei 19 silberne und bronzene Medaillen soivie 4 Diplome der Landwirthschasts - Gesellschaft und des Landesculturrathes, 342 Kronen Staatspreise, 310 Kronen Landespreise, 300 Kronen von der Sparcasse Steyr und 80 Kronen in Gold vom landwirthschastlichenBezirksverein zur Vertheilung. , Für den Abend des 10. September — jenes Tages, der zu Folge der tieftraurigen Begebenheit, die Oesterreichs Völker in Bestürzung versetzte, in der Weltgeschichte unvergänglich verzeichnet bleibt — war auf dem Ausstellungsplatze ein großes Blumen fest mit Coriand oliwerfen anberaumt. Das Vergnügen war bald im höchsten Gange. Im Musikpavillon con- certirte die Militärcapelle und vor der Restauration der Ausstellungshalle die Bürgercorpsmusik. Die Hauptfront der Jndustriehalle war mit unzähligen färbigen Glaslampions geschmackvoll decorirt, ebenso erstrahlte die Avenue im herrlichsten Lichterglanze und darunter wimmelte es von einer Menge lustiger und fröhlich scherzender Menschen. Liebreizende Damen verkauften Blumen, Coriandoli u. s. w. Das Fest hatte eben seinen Höhepunkt erreicht — da fand zu Folge an die Steyrer Localblütter eingelaugter Telegramme die entsetzliche Nachricht Verbreitung: Unsere geliebte Kaiserin sei am Gestade des Genfersees - durch den Stahl eines ruchlosen Anarchisten ermordet worden. Anfangs wollte Niemand ernstlich daran glauben, doch als die Zweifel weichen mußten, da sah man nur mehr verstörte Mienen und an der Stelle, wo kurz vorher ungezwungener Frohsinn herrschte, trat bald beängstigende Stille und Trauer ein. Viele verließen den Festplatz, die Militärcapelle marschirte ab, alle Unterhaltung verstummte und in Gruppen besprach man flüsternd den schrecklichen, kaum faßbaren Borfall, und gar bald war der Platz einsam und menschenleer. _ Der folgende Tag, der 11. September, sollte für Steyr wieder ein rauschender Festtag sein. Der I. Militärveteranen- V er ein in Steyr wollte am Ausstellungsplatze eine großartige Huldigungsfeier anläßlich des 50 jährigen Regierungs-Jubi- läums unseres Kaisers veranstalten, und es war zu diesem Zivecke bereits alles vorbereitet. Ueber 600 Mitglieder auswärtiger Veteranenvereine waren zum Besuche ange- ; meldet. — Am Vorabende hatte noch ein Fackelzug mit Zapfenstreich stattgefunden — da mau noch keine Ahnung hatte von der schrecklichen Kunde. Die Veteranen waren eben nach demselben zur fröhlichen Festkneipe in ihrem Herbergs-Gasthofe vereint, als sie die Hiobspost erhielten. Sofort wurden alle Veranstaltungen abgesagt und die zum Feste angemeldeten auswärtigen Veteranenvereiue hieoon telegraphisch verständigt, daher nur wenige Delegirte speciell zur Bundesversammlung erschienen, welche 14

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