Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

164 capelle spielte, sangen die „Steyrer Lieder- I tafel" und das „Kränzchen" eine Anzahl hübscher Männerchöre, die lauten Beifall des Publicums erregten. Stach dem officiellen Programme traten die verschiedenen kleinen Ausstellungsmusiken („Schrammeln" rc.) in den geräumigen Bierhallen, in welchen lange Zeit kein Sessel frei war, in ihre Rechte. Fröhliches Treiben entwickelte sich allenthalben und so konnte der erste Festabend schon als ein sehr gelungener bezeichnet werden. Wenden wir uns nun der Ausstellung selbst zu, »lud machen wir einen R u n d- g ang durch dieselbe. Wenn man durch den schön decorirten Haupteingang gegenüber dem Schlosse Voglsang eintrat, nachdem man den „Obolus" von 20 kr. entrichtet, so sah man zur rechten Seite einen gefälligen, umfangreichen Holzbau mit Oberlichte, die Motorenhalle, von deren reichhaltigein Innern wir auf Seite 165 ein kleines Bild bringen. Viel des Interessanten und Lehrreichen bot sich da dem Auge des Beschauers. In langer Reihe standen Gas-, Benzin-, Petroleum- und Heißluft-Motoren berühmter in- und ausländischer Firmen verschiedenster Construction, welche die mannigfaltigsten Arbeitsmaschinen in Bewegung setzten; ebenso Dampf- und Elektro-Motoren sowie Dynamos »nid allerlei elektrische Hilfs- apparate und Vorrichtungen neuester Erfindung. Das war ein Schnurren und Hämmern, daß es eine Lust war, mitten darinnen zu stehen. Es gestattet uns der beschränkte Raum nicht, alle die Dinge aufzu- zählen, welche der Geist der modernen Erfindung geschaffen hat, und die hier aufgestapelt waren. Zwei elektrisch angetriebene Gesteinbohr-Maschinen zeigten außerhalb der Motorenhalle ihre große Kraft und Geschwindigkeit. Dieser Theil der Ausstellung erregte das höchste Interesse aller Besucher, und viele Kleinindustrielle und Gewerbetreibende prüften die Maschinen auf ihre eventuelle Verwendbarkeit in ihrem Fache zur Verbilligung und Verbesserung der Arbeit. Es wurden auch mehrere Motoren angekauft und in Bestellung gegeben. An die Motoreyhalle angebaut waren zwei kleine, zierliche Zubauten, in welchen eine Buchhandlung und eine Tabaktrafik untergebracht waren. Gegenüber befand sich der Tempel der Göttin Fortuna, der Glückshafen, welcher, mit Gewinnsten reichlich ausgestattet, sich eines lebhaften Zuspruches erfreute. Daneben sah man eine künstliche Fischzucht, mehrere Blumenbeete und ein imposantes, schmiedeeisernes Portal, ein Meisterwerk der Schmiedekunst. Neben der Motorenhalle waren in einem großen, offenen Bau Wägen, Schlitten, Cementpflastersteine, sowie ein 65-Hektoliter-Faß ausgestellt, daran reihte sich die Festtribüne und der solid und hübsch gebaute Musikpavillon, in welchem während der Zeit der Ausstellung die Musikcapelle des k. u. k. 4. Tiroler Kaiser-Jägerregimentes täglich zwei Concerte abhielt. Im Hintergründe aus dem Grün des jungen Stadtwäldchens lugte das trauliche Tuseulum des Centralc omitö s hervor, woselbst auch die Sicherheits- und die Feuerwache untergebracht war. Als nächstes Object stand das hübsche, in modernem Villenstil erbaute und reich deco- rirteCaffeeh aus, daneben eineConditorei und den Abschluß der Gebäudezeile bildete wieder ein großes Object, in welchem das neue evangelische Kirchengeläute, bestehend aus drei Glocken, und das Geläute für die Pfarrkirche in Weyer, bestehend aus sechs Glocken, nebst mehreren Feuerspritzen und Pumpen rc. aus der Peteler'schen Fabrik in Steyr sich befanden. — Somit ist der SüdAusgang des Ausstellungsplatzes erreicht, wo die Dreh er' sche Brauerei Kleiu- Schwechat schäumenden Gerstensaft in einer geräumigen Bierhalle credenzen ließ. Das mächtigste Gebäude am Ausstellungsplatze war, wie aus unserem vorstehenden Bilde zu ersehen ist, die Jndn- striehalle, welche das Centrum der Ausstellung bildete. Vestibüle, Souterrain, der große Festsaal, die Nebenräumlichkeiten, so. wie die beiden Balkonräume des Festsaales bargen eine großartige Fülle der schönsten und modernsten Erzeugnisse der Industrie und des heimatlichen Gewerbes. Im südlichen Theile der Halle hat das stävtis ehe Museum mit seinen vielen historischen Sehenswürdigkeiten dauernden Platz ge- fnnden, während auf der anderen Seite die Permanente Gewerbe- A u s st e l l u n g eingerichtet wurde. Die bedeutendsten Firmen Steyrs und des ganzen Jndustriebezirkes wetteiferten mit denen aus vielen anderen Orten Oberösterreichs mit ihren besten Erzeugnissen. Im rückwärtigen SouterrainTheile des Gebäudes war eine Restauration etablirt worden, in welcher deutsches Budweiser Bier geschünkt wurde. —Zwischen der Jndustriehalle und der vorerwähnten Gebäudezeile erstreckte sich eine breite, gerade Straße — die Hauptavenue — welche bei vielen festlichen Anlässen der Sammelpunkt des Publicums war. Der Nordostseite des Platzes entlang, von der Avenue bis zum dritten Ausgange, befand sich, wie unser Bild (S. 167) veranschaulicht, ebenfalls eine Reihe geschmackvoller Objecte. Als erstes ist die große Bierhalle der S t e y r e r A c t i e n - B r a u e r e i zu nennen, welche sich immer eines lebhaften Zuspruches erfreute. Daran reihte sich die Halle für l a n d w i r t h s ch a s t l i ch e Mas ch i n e n, welche viele der Landwirthschaft und Mühlenindustrie nützliche und

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