Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

153 Brandplatze arbeiteten die freiwillige Feuerwehr von Molln und die Spritze des Sensengewerksbesitzers Christoph Pießlinger. Bei diesein Brande gingen außer den Fährnissen und Vorräthen auch Einrichtungsund Kleidungsstücke, sowie eine schwere, trächtige Kuh zu Grunde. In Steyr verschied am 8. Juni der Hausbesitzer und Gemeindesecretär von G l e i n k Julius Herb u r g e r im Alter von 60 Jahren nach längerem Krankenlager. In der Ortschaft Hilbern brannten am 8. Juni das Mitterkaumbergergut des Franz Raxendorfer und das Unterkaum- bergergut des Franz Eisen hu der nieder. Das Feuer war in einer Holzhütte des ersteren Gutes aus unbekannter Ursache entstanden und griff auf das zunüchstgelegene zweite Gut hinüber. Es verbrannten hiebet beiden Besitzern vier Schweine und zwei Kühe, soivie sämmtliche Fährnisse, die Fechsung und viele Hühner. Am Brandplatze waren die Feuerwehren von Sierning, Bad Hall, Waldneukirchen, Pfarrkirchen, Thanstetten und die Pesendorfer Ortsspritze erschienen. Am selben Tage beging der MilitärBete r anen verein in Weher sein 28. Gründungsfest, zu welchem viele auswärtige Veteranenvereine mit mehreren Musikcapellen eintrafen. Das Fest verlief in glänzender und würdiger Weise und war vom prächtigsten Wetter begünstigt. In Steyr verschied am 7. Juni der Orgelbauer und Clavierhändler Christian R ö ck l nach langem Krankenlager in seinem 72. Lebensjahre. Der Verblichene war ein gebürtiger Bayer und seit dem Jahre 1850 in Steyr ansäßig. Er war in den Sechziger bis Siebziger Jahren als erster Tenor Mitglied des „Steyrer Quartettes", das iveit und breit ob seiner eigenartigen, zumeist humoristischen Vorträge bekannt und beliebt war. Röckl war in seiner Art ein Original durch seine vielfachen geselligen Talente, indem er sich auch aufs Bauchreden, Taschenspielen und allerlei musikalische Schnurren verstand und hiedurch in weiten Kreisen auch außerhalb Steyr's stets gerne gesehen war und sich viele Freunde erwarb. Bei seinem Leichenbegängnisse betheiligten sich viele Sänger Steyr's, die am Grabe einen Trauerchor sangen. Am selben Tage wurde in Steyr die 21 Jahre alte Dienstmagd Marie Polz, welche beim Wäscheschwemmen in den Wehr- grabencanal stürzte, durch den gerade des Weges kommenden Bauzeichner Franz Brak kein vom Tode des Ertrinkens gerettet. Der Jahres - Hauptrechnungsabschluß pro 1897 der Stadicasse Steyr's, welcher in der Sitzung des Gemeinderathes der Stadt Steyr am 8. Juni zur Vorlage gelangte, wies aus einen Activenstand von 1,669.471 fl. 95 '/, kr. und einen Passivenstand von 1,241.900 fl. 64 kr., sonach ein reines Vermögen von 427.571 fl. 31 kr. Das in Steyr garnisonirende k. u. k. 10. Feldjäger-Bataillon veranstaltete anläßlich des 50 j ä h r i g e n G e d e n k t a g e s an die siegreiche Erstürmung des Monte Beri co am 10. Juni solenne Festlichkeiten, an welchen die gesqmmte Bevölkerung der Stadt großartigen Antheil nahm. Die Sympathien der Bevölkerung für das wackere Bataillon gaben sich durch vielfache Be- flagaung der Häuser ivie auch des Rathhauses kund. Viele illustre Gäste hatte das Bataillon die Ehre an diesem Tage zu empfangen, so Ihre Excellenzen die Feldmarschall-Lieutenants L a t o u r und F r ä n z l, die Generalmajore Nüscheler und Baron Kopal, Baronin Kopal sammt Tochter, Major Wilhelm von Kopal sammt Gemahlin und stud. Robert Kopal, Major Hübl, Rittmeister Steffen, Divisionär GeneralMajor Babic, Brigadier-Generalmajor Fischer-Colbrie, Oberstlieutenant Graf Lavanta, soivie viele Reserveofficiere des Bataillons nebst anderen Officieren. Auch viele alteZehnerjäger waren erschienen. Die Caserne und ihre nächste Umgebung, soivie das große Exercierfeld prangten in hübschem, decorativem Schmuck von Guirlanden, Kränzen und Triumphbögen aus Tannenreisig, Emblemen und Flaggen. Am Vorabende veranstaltete das Bataillon einen musikalischen Zapfenstreich und Lampionszug, ivobei acht Hornisten die berühmte Parmasaner Retraite bliesen und die Bürgercorps-Musikcapelle viele muntere Marschweisen spielte. Der imposante Zug bestaiid aus 20 Fackeln und 200 Lampions. Tausende von Menschen ivarteten auf den Straßen mid Plätzen des Zuges, der sich von der Caserne aus in die Stadt und denselben Weg wieder zurück beivegte. Im ersten Stock des'Hotels Eiselmeyr am Stadtplatz war das Officierscorps mit dessen Damen und Festgästen versammelt. Bor dem Hotel nahm der Zug Au stellung, eine Abtheilung Lampionsträger formirte ein K, den Anfangsbuchstaben Kopals, und Oberlieutenant P r o ch a s k a brächte am offenen Fenster des Hotclsaales ein dreiinaliges Hoch auf die Festgäste aus, in welches die Mannschaft begeistert einstimmte. Die Musik- capelle spielte hieraus den Radetzky-Marsch, welcher vom Publicum lebhaft acclamirt wurde. Begleitet von einer zahlreichen Menschenmenge, marschirte sodann der Zug in die Caserne zurück. — Am Festtage selbst fand schon um 5 lkhr Früh eine Tagwache mit Musik statt. An diesem Tage war die Musikkapelle des Infanterieregimentes Nr. 11 12

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