Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

151 nahm es in das Eigenthum der Gemeinde. Namens der Stadt Steyr legte er einen prächtigen Lorbeerkranz an dem Denkmale nieder; ferners legten Kränze durch ihre Vertreter nieder das Bruckner - DenkmalComite, die Steyrer Liedertafel, der Männergesangverein „Kränzchen", die Gesellschaft der Musikfreunde, die Philharmoniker in Wien, der Wiener Männergesangverein, die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, der Singverein der Musikfreunde in Wien und der Wiener Wagnerverein. Als die Sänger hierauf an dem Denkmale vorüberzogen, legten sie all' die Kränze und Blumen, die sie während des Festzuges empfangen, zu Füßen des Denkmals hin. Nun erfolgte der Abzug der Sängerschaar zur Jndustriehalle, wo kurz nach 8 Uhr das F e st c o n c e r t begann, welchem ein äußerst zahlreiches, distinguirtes Publicum beiwohnte, und welches den Glanzpunkt des Festes bildete. Die Einzeln-Chöre der Vereine „Sängerbund", Liedertafel „Frohsinn" und „Gutenbergbund" aus Linz, der Salzburger Liedertafel, des Weiser Männergesangvereines, der „Coneordia" aus Enns, des „Kränzchens" und der „Liedertafel" in Steyr waren durchaus prächtige Kunstleistungen. Die Akustik der Jndustriehalle erwies sich Hiebei als vorzüglich. Von ganz besonders gewaltiger Wirkung waren die Gesamintchöre, die unter der Leitung des Bundeschormeisters T o b i sch sehr präcise gesungen wurden. Das Concert war von einer Musikpi-ce der Steyrer Bürgercorpscapelle eingeleitet worden. Das Publicum war über den gebotenen seltenen Kunstgenuß entzückt und spendete jedem Vor- trage reichen, manchmal stürmischen Applaus. — Bald nach Schluß des Festconcertes begann im selben Raume der Sänger- c ommers. Es mochten circa 2000 "Personen gekommen sein, die in dichtgedrängter Masse den großen Saal bis aufs letzte Plätzchen füllten, während viele in den Nebenlocalen Platz nehmen mußten. Bundesobmann Dr. üt nger ma n n führte den Vorsitz und hielt eine herzliche Begrüßungsrede. Gegenseitige Begrüßungsansprachen wechselten mit gediegenen Einzeln- und Gesammt- chören, inzwischen spielte die Bürgercorps- Capelle unter der Direction ihres Capell- meisters Ludwig Großauer schwungvolle heitere Weisen, und das fröhlichste Sängerleben herrschte allenthalben. Am Pfingstmontag Früh unternahmen viele der Sängergäste Ausflüge in die Umgebung der Stadt. Dieser Tag stellte bessere Witterung in Aussicht, als es am Vortage der Fall gewesen. Um 9 Uhr Vormittags fand im städtischen Rathhause die Bundesvers a m m l u n g unter dem Vorsitze des Bundesvorstandes Dr. Franz Angermann statt. Hiebei wurde unter anderm constatirt, daß von den 53 dem Bunde ungehörigen Vereine beim Bundesfeste in Steyr 39 Vereine mit 1160 Mitgliedern erschienen waren. Als nächster Bundesfestort wurde die Stadi Wels und zum Bundesvorstand Bürgermeister Dr. Johann Schauer in Wels gewählt. Seitens der Sängergäste wurde der Bundesleitung und den einzelnen Comitss der Festveranstaltung der freundlichste Dank ausgesprochen. — Um 11 Uhr Vormittags begann wieder in der Jndustriehalle fröhliches Sängertreiben. Es fand der Sang er früh, schoppen statt, gespendet und credenzt von den sangesfreundlichen Damen aus den erste» Kreisen der Stadt. Bei diesem Theil des Sangerfestes erreichte der Festesjubel seinen Höhepunkt, was bei der liebreizenden, trefflichen und überaus reichen Bewirthung der Sängergäste sehr begreiflich war. Die Bürgercorpscapelle spielte muntere Weisen und die Steyrer Liedertafel sang mehrere Chöre, während die übrigen Sänger die verschiedensten Mottis intonirten. Bundesvorstand Dr. Angermann sprach in schwungvoller Rede den wackeren Damen der Stadt, an deren Spitze die G e m a l i n des Bürgermeisters Redl stand, den wohlverdienten innigsten Dank aus für die großartige Gastfreundschaft, nach welchen tiefgefühlten Dankesworten die begeisterten Heilrufe schier kein Ende nehmen wollten. Unter brausendem Jubel schloß hiemit eigentlich das Sängerfest, soweit es in den Mauern Steyrs abgehalten worden war. — Der Sängerausflug nach Leonstein im Steyrthale war der letzte Act des Festes. Eine beträchtliche Anzahl von Thcilnchmern hatte sich nach Mittag am Bahnhöfe der Steyrthalbahn eingefunden und im langen Zuge gings flugs dahin durchs grüne Steyr- thal, an vielen Orten sympathisch begrüßt. In Leonstein angekommen, überschüttete ein heftiger Gußregen die Ausflügler, der glücklicherweise nicht von langer Dauer war. In Wechts schöngelegenem Restaurant entfaltete sich eine gemüthliche Unterhaltung, viele Sänger gingen dann noch nach Molln und fröhlich wurde Abends die Heimreise angetreten. Die meisten fremden Sänger, die den Ausflug mitgemacht, fuhren über Garsten ihrer Heimat zu. — Steyr hat in den verflossenen Pfingstfeiertagen seinen wohlbegründeten und altbewährten Ruf der Gastfreundschaft wieder aufs neue und glänzendste bethätigt. Bundesvorstandschaft, Stadtgemeinde und Bürgerschaft, wie überhaupt die gesummte Bevölkerung der Stadt hatten Alles aufgeboten, um die Sängergüste aufs herzlichste zu bewillkommen, zu beherbergen und zu bewirthen, was ungeteilte Anerkennung fand. Steyr ging mit Ehren aus dein Festesjubel dieser Tage hervor, ein großes Verdienst aller jener Factoren, die zu diesen! Zwecke so cinmüthig zusammen gewirkt.

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