Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

150 welches sich am Platze sehr zahlreich versammelt hatte, während die Bürgereorps- Capelle iin neuerbauten Musikpavillon vor der Jndustriehalle noch manche heitere Weise ertönen ließ. Die einfache, aber durchaus würdige Ausstattung des großen Saales, sowie dessen vorzügliche Akustik erregte die volle Befriedigung des destin- guirten Publicums. Durch diesen Bau wurden in Steyr endlich jene Räumlichkeiten geschaffen, deren Abgang bei großen Festlichkeiten schon oft genug schmerzlich empfunden worden ist. Die Pfingstfeiertage an: 29. und 30. Mai waren in Steyr rauschendem Festesjubel geweiht. Das IX. oberösterreichischsalz b u r g i s ch e S ä n g e r b u n d e s f e st fand an diesen Tagen in der alten Eisenstadt statt und nahm einen durchaus solennen und würdigen Verlauf, wobei die neuerbaute unb eben eröffnete prächtige Jndustriehalle zum ersten Male ihrer Bestimmung als Festballe diente. Die Stadt hatte schon am Vortage ihr Festkleid angelegt. Zahlreiche Fahnen, darunter viele in den Farben schivarz-roth-gold, wehten von den Häusern, an den Fenstern waren fast überall Kränze sichtbar und Motti und Sprüche boten an vielen Orten den lieben Sängergästen freundlichen Willkommgruß. Das Arrangement des Festes unter der Leitung des Bundesvorstandes Dr. Franz Aug ermann war vorzüglich vorbereitet, leider begünstigte das Wetter dasselbe aber nicht sehr, denn der Sonntag, an welchem die Hauptfestlichkeiten stattfanden, war fast gänzlich verregnet, und nur am Montag gestaltete sich die Witterung leidlicher. Aber der Humor, die Festesfreude und Herzlichkeit Aller, die in diesen Tagen in Steyr zusammen- kamen zum fröhlichen Sängerleben, ließ nichts zu wünschen übrig. Die Einleitung zu dem Feste bildete ein Begrüßungsabend am28. Mai in den Casino-Localitäten, woran die Steyrer Sänger, sowie die bereits von auswärts angekommenen theilnahmen. Derselbe nahm bei Toasten, Musik- und Liedervorträgen einen recht fröhlichen Verlauf. — Am P fing st s o n n t a g ivurde aus beiden Bahnhöfen der Stadt das Gros der fremden Sängerschaaren unter Pöllerknall und Musikklang vorn Festausschüsse und vielen Steyrer Sängern, denen sich auch die sangesfreundliche Bewohnerschaft der Stadt anschloß, empfangen und herzlich bewill- kommt. — Das gemeinsame Mittagessen der Sänger vereinte dieselben in verschiedenen Gasthausloealitäten der Stadt, wobei sich recht animirtes Leben entwickelte. — Nach 2 Uhr Nachmittags fand der große Festz u g statt, welcher sich vom Wieserfeldplatze aus vorerst auf den Stadtplatz bewegte. An der Spitze des Zuges ritt ein Herold, in den Stadtfarben gekleidet und das Stadtbanner haltend, ihm folgten zwei Fanfarenbläser zu Pferde und 17 reich mit Blumenguirlanden verzierte Equipagen mit den Ehrendamen und Festcavalteren. Die Ehren- fräulein, 44 an der Zahl, in ihren blüthen- weißen Toiletten und schwarz-roth-goldenen Schärpen bildeten eine besondere Zierde des Festzuges. Sodann folgte die Bürgercorps- Capelle, muntere Weisen spielend, worauf die Bnndesleitung, ebenfalls per Wagen, mit dein herrlichen Bundesbanner kam, sowie der Festausschuß und dann die dem oberösterreichisch - salzburgischen Sängerbünde nicht angehörigen, aber zum Feste geladenen auswärtigen Vereine und Deputationen, welchen sich endlich die Bundesvereine nnschlossen; im Ganzen zählte man 32 Vereine mit weit über 1200 Mitgliedern. In den Straßen harrten Tausende von Menschen, um den Festzug zu sehen, der sich in imposanter Weise entfaltete und überall sympathisch mit duftenden Blumenspenden aus zarten Frauen- und Mädchenhändchen begrüßt wurde. Leider begleitete ein feiner Sprühregen die Sänger auf ihrem Zuge durch die Stadt, was für den Festzug selbst natürlich nicht vortheilhaft war. Vor dem Rathhause erfolgte die Begrüßung der Sänger durch den Bürgermeister der Stadt Steyr, Johann Redl, welcher vom Balköne des Rathhauses aus, umgeben von Gemeinderäthen, den Sängergästen herzliches Willkommen entbot. Hoch- und Heilrufe und Mottoklänge folgten der freundlichen Ansprache, worauf die Schmückung der 32 erschienenen Fahnen mit den Erinnerungsbändern durch die Ehrenfräulein auf der hiezu vor dem Rathhause errichteten Tribüne sich vollzog. Bundesobniann - Stellvertreter Dr.HermannSpaenglerdankte inwarmen Worten Namens der Sängerschaft. — Unter klingendem Spiele bewegte sich sodann der Festzug auf den Pfarrplatz zur E n t- hüllung des Bruckner -Denkmals. Vor dem verhüllten Denkmale nahmen die Sänger Aufstellung, während neben demselben der Gemeinderath der Stadt, mit Bürgermeister Redl an der Spitze, das Bruckner-Denkmalcomitö sowie die Sängerbundesleitung und sonstige Honoratioren sich versammelten. Ferners waren anwesend Bildhauer Z er ritsch, der das Denkmal nusgeführt, und ein Bruder des verstorbenen Meisters Tilgner, Oscar Til an er. Professor Franz Babsch hielt in schwungvoller, zündender Sprache eine begeisternde Festrede, während welcher die Hülle vom Denkmal fiel. Als der geistreiche Festredner geendet, erscholl lauter Jubel und die tansend- köpfige Sängerschaar sang begeistert unter der ' Direction des Bundeschormeisters Tobisch das Bundcsmotto. Sodann drückte Bürgermeister R e d l seine Freude über das herrliche Denkmal aus und über

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