Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

infpecto» Schmidt feierte am 11. December das Fest seiner silbernen Hochzeit und trat Mitte December in den wohlverdienten Ruhestand. Sein Nachfolger wurde der k. f. Steuer-Oberinspector Dr' Johann Kastner von Schärding. Am 29. November begann die vierte Schwurgerichts Periode desJahres 1897 in Steyr. Während derselben kamen folgende Fälle zur Verhandlung. Die ledige 20 jährige Dienstmagd Theresia Ar bei t- huber aus SieMng und der 33 Jahre alte, verehelichte Besitzer des Zäunimayr- gntes in Weichstetten, Carl Teufel, m a y r, welcher mit Ersterer ein Liebesverhältniß unterhalten hatte, waren wegen Kindesmordes, resp. Mitschuld hieran, angeklagt. Das Verbrechen war in der Nacht voin 8. zum 9. August aus dem Heuboden des genannten Gutes verübt worden. Therese Arbeithuber wurde wegen dieses Delictes zu vier Jahren, Carl Teufelmayr, welcher seine Geliebte zur Ausführung des Kindesmordes verleitet hatte, zu fünf Jahren schweren, verschärften Kerkers verurtheilt. — Am zweiten Verhandlungstage wurde der 31 Jahre alte,verheirathete Wenzel P a p i r e k aus Humpoletz in Böhmen, welcher schon oftmals wegen Diebstahls vorbestraft war, wegen Gewohnheitsdiebstahls zu fünf Jahren schweren, verschärften Kerkers verurtheilt. Papirek war nach Berbüßung einer 18 monatlichen Kerkerstrafe in Garsten am 21. September aus der Strafanstalt entlassen und in seine Heimat abgeschoben worden, kehrte jedoch sofort wieder nach Steyr zurück und verübte schon in der Nacht zum 23. September in Steyr zwei verwegene Einbruchsdiebstähle in Geschüftsgewölben, welche große Sensation erregten. — An« selben Tage wurde der 23 Jahre alte, ledige Bauernknecht Leopold Humpl aus H'interstoder von dem Verbrechen der Nothzucht freigesprochen. — Am dritte» Verhandlungstage wurden die wegen des Verbrechens der Nothzucht und Schändung angeklagten Franz G n a d l i n g e r und Karl N e u b'ö ck, und zwar Ersterer zu drei Jahren, Letzterer zu acht Jahren schweren, verschärften Kerkers verurtheilt. — Unter großem Andrangs von Publikum begann nach dieser Verhandlung kurz vor 7 Uhr Abends die Hauptverhandlung gegen den ehemaligen k. k. Postbeamten Michael Palzer wegen des Verbrechens der Amtsveruntreuung. Als SchalterBeamter bei der Postsparcasse in Steyr ' hatte er in Empfang genommene Geldbeträge unterschlagen, von welchem Gelde er hauptsächlich Spiel- und andere Schulden zahlte. Die Gesammtsumme der veruntreuten Geldbeträge betrug 1434 st. 84 kr., wovon Palzer durch Bargeld und durch seine Caution 586 st. 20 kr. decken konnte. Palzer hatte sich, als seine Defraudation entdeckt wurde, mn 28. September der Polizeibehörde in ^leyr selbst gestellt. Der Angeklagte wurde unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes zur schweren, verschärften Kerkerstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurtheilt. Das Bruckner-Denkmal-Comite tu Steyr, welches sich im November des Jahres 1896 constituirt hatte, hatte seiner Zeit beschlossen, zum Andenken au den verewigten Tonheroen Dr. Anton Bruckner ein Glasgemäldefenster in der Stadtpfarrkirche zu Steyr zu stiften, eventuell, wenn der hiefür präliminirte Betrag von circa 6000 st. nicht aufzubringen wäre, demselben ein anderes Denkmal in Steyr zu errichte». Bis E»de November war zu diesem Zwecke ein Betrag von 2600 fl. subscribirt. Da erhielt diese Angelegenheit eine neue Wen- hung. Der Bildhauer Franz Zerritsch in Wien, ein genialer Schüler Meister Tilgner's, legte nämlich dem Bruckner-Denk- mal-Comits den Entwurf eines Denkmales aus Bronze und Stein vor, bestehend aus einem mit zwei Kindergestalten geschmückte» Granit-Sockel, auf welchen« die Originalbüste Bruckner's, aus der Meisterhand T i l g n e r 's selbst stammend, steht. Der offe- rirende Künstler erbot sich, infolge des günstigen Umstandes, dass ihm eben die Originalbüste Tilgner's zur Verfügung (durch den Besitzer Herrn Carl Almeroth) stand, das Denkmal um den ausnahmsweise billige» Preis von 4700 fl. herzustellen. Um nun diese außerordentlich günstige Gelegenheit nicht unbenützt vorübergehen zu lasse», entschloß sich das Comitö, zur Ausführung dieses Denkmals zu schreiten, umsomehr, als dasselbe schon im nächsten Frühjahre fertig und Steyr daher die erste Stadt sein konnte, die ein derartiges Denkmal besitzt. Ein allgemeiner Aufruf zur Sammlung von Subscriptions - Beiträgen unter der Bevölkerung Steyr's ergab das günstige Resultat, daß die noch fehlende Summe von circa 2500 fl. bald aufgebracht war, da das Project des zu errichtenden Denkmals allgemein Anklang fand. An besonders hervorragenden Spenden habe» geleistet: Spar- casse Steyr 1000 ff, Stadtgemeinde Steyr 500 fl., Oesterreichische Wafsenfabrik 300 fl. und durch Herr» Dr. Hochhäuser 540 fl. In einer Sitzung des Comites mn 16. December wurde dem Bildhauer zur Ausführung des Denkmals definitiv der 'Auftrag ertheilt. — Mitte März 1898 wurde auf dein Pfarrplatze in steyr auf jenen« rondeauförmige» Raume, welcher sich vor der Holub'sche» Gartenmauer befindet, mit den Vorarbeiten zur Aufstellung des Denkmales beqoi«nen und zu Pfingsten konnte es anlasslich des IX. Salzburgisch-oberösterreichischen SängerBundesfestes feierlich enthüllt werden. Das Bruckner -Denkmal ist nebenstehend abgeblldct.

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