Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

119 Wohl ein Bild, als ein Wappenschild sein konnte. „Ei, seht doch, der Bruder Lucius", sagte Ritter Ellanperht überrascht, „Ihr habt doch wohl zur Hochzeitsfeier Euch hieher bemüht, hoff' ich — willkommen in der Vogtei!" Bruder Lucius ergriff die ihm dargebotene Rechte des alten Ellanperht und schüttelte dieselbe herzlich, dann wandte er sich zu dem jungen Ehepaare und sagte: „Ich bin hiehergekommen, um des Himmels gnädig Wohlwollen auf Eueren neuen Lbensweg zu erwüuschen und Euch, edlen Frau, zu sagen, daß Ihr und Euer ritterlich Ehegemahl zu Garsten täglich iu's Gebet mit eingeschlossen werdet, das hatt' ich Euch im Auftrag meiner Ordensbrüder zu vermelden. — Aber auch in eign er Sache weil' ich hier: Der Herr Markgraf hat, Herr Ritter Garibert, Euch und Euerem zukünftigen Geschlecht ein W appen gnädiglich verliehen! Das W a p p e n b i l d w i r d a u s G a r st e n kommen, so sagt' ich vor nicht allzu- langer Zeit zu Garsten's Gönner Ellanperht, wohlan, hiermit erfüll' ich mein Versprechen und übergeb' der Dachsberger Wappenschild zu Eueren Händen — rein und unbefleckt leuchte es denen vom Dachsberg voran zu allen Zeiten!" Bei den letzten Worten hielt Bruder Lucius den enthüllten Schild hoch vor sich hin. Das Wappenbild zeigte zwei Felder, rechts die Allen erkennbar gemalte Dachsburg und links einen schwarzen Dachs im vollen Lauf. Von allseits begrüßten heller Jubel und begeisterte Zurufe das Wappen des neuen ritterlichen Geschlechtes und Ritter Ellanperht selber trug es in freudiger Erregung in das große Gemach hinauf und hing es an die Mitte der langen Wand, so daß es den Fenstern gerade gegenüber kam und das voll hereinwogende Tageslicht es gar freundlich, wie glückverheißend, um- koste. Beim Hochzeitsmahle traf es sich, daß der alte Ellanperht dem Wappenbilde gerade gegenüber saß, und immer wieder hafteten seine Blicke in stiller Betrachtung darauf. Sah er dann in das liebliche Angesicht seiner Tochter, aus deren Mienen er all das Glück lesen konnte, das sie am heutigen Tage empfand, und deren Blicke oft mit stiller Verehrung und tief empfundener Dankbarkeit sich ihrem Pflegevater zuwandten, dann wurde es dem Alten warm um's Herz und in seinen Augen fllimmerte es, denn er fühlte es: zum erstenmale in seinem thatenreichen Leben hatte er jetzt ein Heim und eine Familie! Und wie er jetzt zufällig sah, daß Bruder Lucius, verstohlen zwar, aber doch mit leichtem Lächeln, die an den Wänden hängenden „Kunstschätze" sich besah, da errieth Ritter Ellanperht sogleich des Künstlers eigenartigen Gedanken und der alte Recke erhob sich, nahm den vollen Becher und sagte schalkhaft und mit gar eigenthümlicher Betonung seiner Wort« zn dem Mönche: „Ich sah Euch's an, Bruder Lucius, daß Ihr unter den Curiosa allhier an- jetzo nichts mehr vermisset, denn durch des Herrn Markgrafen Gnade und Eure edle Kunst ist nun auch ein ritterlich Wappen in der alten Vogtei, und ich wünsch' dem jungen Paare und den kommenden Geschlechtern nur, daß sie sich immer hier so heimisch mögen fühlen, wie ihr Wappenthier, der Dachs, hier auf diesem Berge allzeit zu Hause war lind ist. — So aber unter den Dachs- bergern etwa hie und da einer sich sollt' finden, der ein gar feltsam Kauz geheißen wird, so bitt' ich Gott, daß er auch dessen eigenartig' Treiben für alle laß' in Glück und Segen sich verwandeln — s o, w i e meine j ü n g st e S ch r u l l e!"

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