Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

116 „Das nun wohl nicht, mein gnädigster Herr — aber 's ist nimmer iveit davon —" und der alte Ellanperht zwinkerte so listig mit den Augen, daß eS der Markgraf deutlich sah, der Alte wußte um die ganze Sache, ohne daß die zwei Liebesleut' es ahnten, und wolle freudig „Ja" und „Amen" dazu sagen. Das ergötzte Ottokar gewaltig, denn grad bei diesem brummigen und sonderbaren Kauz hatte er das Vorhandensein der zarteren Gefühlsseiten nicht vorausgesetzt, und nun er den alten Recken auch von der Art kennen lernte, würbe es dem Markgrafen leid gethan haben, die Bitte dieses seines Getreuen nicht bewilligen zu können. Lächelnd wandle sich daher Ottokar zu seinem Kanzler hin, der bisher still und bescheiden dagesessen hatte, ein aufmerksamer Zuhörer, der, wie es sich einem guten Unterthan und seinem Hofmanne ziemt, zu rechter Zeit zu schweigen und zu reden weiß. „llnd was sagt denn unser Kanzler dazu daß Ritter Ellanperht an uns ein Ansinnen stellt, wie es an die Vorsehung sonst nur gethan wird: ihm zum Kindersegen zu verhelfen und gleich 511 erwachsenen und versorgten Kindern?" Der Markgraf hatte das so lebhaft, so launig und zugleich so wohlwollend im Ton gesprochen, daß der Kanzler wohl sah, daß derselbe jetzt der Bitte des alten Recken sehr gnädiglich gesinnt war; ein seines Lächeln huschte über des Kanzlers Gesicht, er nickte Ritter Ellanperht säst nnmerklich freundlich zu und erwiederte auf die Frage des Markgrafen mit leichter Verneigung und stärker Betonung: „Daß ich, mit Verlaub zu sagen, gnädigster Herr, es recht begreiflich find', was Ritter Ellanperht im Sinne hat zu thun, aber auch, es null mir so scheinen, daß unser gnädigster Herr, wie schon so oft, auch diesesmal der Vorsehung ausführender Ariu zu ihrem Willen sein dürfte —" „Wie meint Ihr das, Kanzler?" fragte der Markgraf erstaunt, „Ihr wißt um die Sache schon?" „Um Gott, nein", wehrte der Kanzler rasch des Markgrafen Verdacht ab, daß er in Ritter Ellanperht's Pläne eingeweiht sei. „Ich weiß darum er seit jetzt, aber mir ist da ein Vorkommniß aus längstverrauschter Zeit in den Sinn gekommen, das mir in einiger Verbindung zu stehen scheint mit der Abstammung voll unseres Ellanperht's Pflegetochter! Irre ich nicht, was sich gar bald — erweisen wird, so mir der gnädigste Herr nur etwas Zeit zum nachforschen will gönnen, so wirb Markgraf Ottokar's gerechter Sinn eine Entscheidung treffen können, die Ritter Ellanperht hochgenehm sein wirb. Bis dahin —" „Bis dahin vertrauen Wir Euerer Weisheit, Kanzler" unterbrach ihn der Markgraf, welcher die vielsagenden Blicke ilud Geberden desselben wohl verstand, „und wir wollen von der Vorsehung uns es zu erhoffen lvagen, daß unser getreuer Ellanperht das Ergebniß von unseres Kanzlers Studien in Gesundheit wird erleben !" Der Markgraf erhob sich nild nieste freundlich, ein Zeichen, daß Ritter Ellanperht in Gnaden entlassen sei. IV. Wenn der Kanzler dem Markgrafen Ottokar V. sagte, es erinnerten ihil Ritter Ellanperht's Worte an ein Vorkommnis; aus längstverrauschter Zeit, so hatte er dabei ein sehr aufregendes Ereignis; im Sinn, das sich eben in jenen Jahren abgespielt haben mußte, als Ritter Ellanperht vor dem Gilgenthor den Kindesfund machte. Damals lvar ein junger Ritter nächtlicherweile drunten bei der Mühle'), als er daselbst die Brücke passirte, um, von der Jagd kommend, nach dem Schlosse heimzukehren, wo er als Hofbediensteter seinen Wohnsitz hatte, von Meuchlern überfallen und nach wackerer Gegenwehr niedergehauen worden. Er ivurde sterbend iir's Schloß gebracht, konnte aber seine Mörder ') Michaeler- (Mayr-) Mühle heute.

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