Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

113 einsam war, erinnerte er sich seines Pflegekindes und ritt eines Tages nach Dietach hinab, wo sich das Mädchen in Pflege befand — auf „Kindsschau", ivie er schmunzelnd zu sich selber meinte. Die Hedwig, die ein gar großes, schönes Mädchen geivorden ivar, gefiel ihm, und ivie sie den Alten so traulich und zärtlich mit dem von ihm nie für sich gehörten Namen „Vater" ansprach, da öffnete sich des Alten schier gar zu eng verschrumpftes Herz — und die Hedwig zog in die Vogtei hinauf. Er hatte es bis jetzt nicht bereut, denn sie verschönte mit ihrer kindlichen Sorgfalt und Zärtlichkeit für ihn und mit ihrer tadellosen Aufführung ihm das Leben, und da es dein Mädchen die Pflegeeltern nicht enthüllt, daß Witter Ellanperht nicht sein leiblicher Vater sei, so schivieg jetzt auch der hierüber und die Hedwig glaubte seine echte und rechte Tochter zu sein. Ritter Ellanperht hatte sich's gar oft gesagt, daß es unrecht von ihni sei, das Mädel nicht über dessen Herkunft auf- zuklären, aber wenn er die Hedwig so flink und thätig schalten sah als Herrin in der Vogtei und merkte, ivie sorglich sie seine Eigenheiten berücksichtigte und dieselben gegen Jedermann vertheidigte, da brächte er das Geständnis; nicht über's Herz und verschob die schivere Sache auf ein andermal. Als nun Bruder Lucius in Garsten draußen heute so lockend vom Vererben von Ellanperht's ritterlichem Range sprach, da hatte es dem Alten eilten gar gewaltigen Stich im Herzen gegeben und jetzt war es dem Ritter klar: Die Hedwig mußte versorgt werden, bevor er die müden Augen auf immer schloß, und wieder klangen ihm die Worte des Klosterbruders durch den Sinn. Und er schlug sich leicht an die Stirn, wie man zu thun pflegt, so einem dahinter über eine Sache ein Lichtleiu aufleuchtet. „Soll nicht umsonst mich gemahnt haben an die gute Stunde, der fromme Bruder Lucius", murmelte Ritter Ellanperht dabei vor sich hin, „wollen die güld'nen Sporen vererben nach 9iitter= brauch und Rittersitt', so unser gnädigster Herr wird wollen und Gott dazu den Segen gibt!" Und nun gar fröhlichen Gemüthes zog Ritter Ellanperht denr Schimmel die Zügel strammer an und tippte ihn mit den Sporen leicht in die Weichen, so daß das Pferd ein leichtes Galöpplein anschlug und bald mit • seinem Herrn beim Gilgenthor anlangte, ivo es gewohnheitSmäßig von selber in Schritt fiel, und nun ging es langsam über die Zugbrücke hinüber nnb hinein in die Stadt, wobei der Ritter auf der Zugbrücke sich im Sattel umwandte, um besser den Ort neben denr Thor betrachten 511 können, wo er einst sein Pflegekind gefunden hatte, dabei etlichenrale mit dem Haupte nickend, was wohl seine innere Befriedigung darüber ausdrücken sollte, daß er durch den grad vorher gefaßten Entschluß seiner guten That von damals anjetzo einen guten Abschluß zu geben gesonnen sei. Dann ging es vorsichtig ben halsbrecherischen Weg über den heutigen Psarrberg hinab und über den Grünmarkt der „Enge" zu, wo damals die eigentliche Stadt sich erhob und auch die Brücke über die Steyr führte, die der Ritter passiven mußte, wollte er auf die Vogtei hinaus. inAm andern Tage stand Ritter Ellanperht in der großen Halle des Schlosses in Steyr und wartete geduldig, bis der Markgraf ihn vorlassen werde, denn der Ritter hatte gebeten, denr Landesherrn in wichtiger Sache berichten zu dürfen. Der dienstthuende Kämmerling wollte, ivie schon öfters, wenn Ellanperht kam, fragen, ob die Angelegenheit nicht auch ein andermal Zeit habe, denn der Ritter kam sonst auch nur, unr dem Markgrafen Dinge zu berichten, welche die Vogtei betrafen, nnb derlei war kaum eilig zu nennen. Heute aber unterließ der Höfling diese Frage, denn der Düster Ellanperht stand da vor ihm nicht wie sonst in guter, aber gewöhnlicher Kleidung, ivie es der Markgraf liebte, seine Dienst-

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