Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

111 Wappen mit enthüllen zu helfen, mein' ich", sagte Ritter Ellanperht, zum Thorbogen hinaufblickend, und als die Mönche seiner Frage zustimmten, setzte er lebhaft hinzu: „Ei, welch' gute Fügung! Dachte schon, ich könnt' eS nimmer erleben, des Klosters zu Garsten Wappenbild zu schauen I" „Gut Ding braucht Weil'", sagte da eine Stimme, und als der Ritter sich umwandte, streckte ihm der Klostervorsteher Eberhard, ein alter Mann mit langem weißen Haar und Bart, die magere, weiße Rechte zum Willkomm entgegen. „Gott zum Gruß, Herr Ritter, wir wollen aber Euere Sehnsucht nicht auf eine gar zu. harte Probe stellen! Darum falle jetzt die Hülle von einem Bilde, das auch von uns Clerikern mit berechtigter Neugier und innerster Befriedigung begrüßt wird, ist es doch wahrlich der Schlußstein im Bau des Klosters zu Garsten!" Ein junger Mönch mit feinen, durchgeistigten Gesichtszügen ergriff bei diesen Worten des Klostervorstehers eine von dem verhüllenden Linnen herabbaumelnde Schnur — ein fester, langer Ruck und die Hülle schob sich aufwärts. Wie sich das Linnen nun langsam und bedächtig hiuaufrollte, kain nach und nach ein in lebhaften Farben gemaltes Bild zum Vorschein: der steierische, aber hier gelbe Panther grüßte aus blauem Felde heraus zum erstenmale des Ottokaren herrliche Stiftung und breitete, lvie schützend, seine gewaltigen, kraftstrotzenden Pranken über die vom Hellen Sonnenlichte umflutheten Gebäude aus. „Das dem Kloster Garsten von unserem Herrn Markgrafen Ottokar gnädigst verliehene Wappen!" sagte der Klostervorsteher Eberhard unb tiefe Rührung durchzitterte seine Stimme, als er dabei seine Blicke auf deni Bilde ruhen ließ, „es sei der Stolz Garstens und schütze diese zu Ehren der heil. Maria gemachte Stiftung — Gott segne Garsten!" Und segnend machte er über das Wappenbild das Zeichen des heil. Kreuzes iutd mitgerissen von der weihevollen Stimmung dieses Augenblickes, bekreuzigten sich die Mönche und der Ritter und drückten sich unter den herzlichsten Glückwünschen für Garstens Znkuuft kräftig die Hände. „lind nun zu Dir, Bruder Lucius", wandte sich Eberhard an den jungen Mönch, „hab Dank für das Meisterwerk, das Du hier geschaffen — der Garstner Stolz, Garstens Stolz!" Und der Klostervorsteher umarmte und küßte den jungen Mönch, dem nun auch die Klosterbrüder und Ritter Ellau- perht ihre Anerkennung in aufrichtiger Weise zollten. Ein kleiner Imbiß beschloß diese Feier und Ritter Ellanperht trank in schlichten, einfachen Worten erst auf Garstens Blühen und Gedeihen und dann, daß Garsten immer so fromme, gelehrte, aber auch so kunstsinnige und schaffensfreudige Mitglieder in seinen Mauern beherberge lvie jetzt. Nachdem der Klostervorsteher dankend erlviedert hatte, nahm Bruder Lucius das Wort, um in launiger Weise dem Witter Ellanperht für sein Lob zu danken. „Ich hab'", schloß er, nicht ohne leisen aber gutmütigen Spott auf des Ritters oft etlvaS seltsamen „Kunstsinn", „drüben bei Euch in der Vogtei der Curiosa gar mancherlei geseh'n; was ich aber stets vermißte, das war ein ritterlich Wappen, ein Bild, dessen Anblick schon den Namen des Besitzers sagt! Solltet Ihr noch in guter Stunde nach Ritterbrauch und Rittersitte die goldenen Sporen vererben wollen und unser gnädigster Herr seiner Zustimmung hiezu auch Burg und Wappen beifügen — Ihr hab't es um unser junges Kloster längst verdient: Das Wappenbild wird aus Garsten kommen und dafür Zeugniß geben, daß hier Euer Wunsch wohl verstanden worden und beherzigt wird und daß nebst Frömmigkeit und Gottesgelahrtheit auch Kunstsinn und Schaffensfreudigkeit da ivalten für und für!"

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