107 er wohl in Andacht versunken geblieben, hätte ihn nicht mein Freund leise an der Schulter zum Aufbruche gemahnt. Er erhob sich wie verklärt, starrte noch mit Entzücken zum Madonnenbilde und sprach im traumhaften, verzückten Tone: „Ave Maria!" Nun gings bei mattem Laternenlichte gar viele Stufen hinab zum Verließe, wo zur Zeit der Pernsteiner gar manch' Menschenherz seinen letzten Seufzer gethan. Die einzeln neben einander liegenden Kerker sind schrecklich; etwa einen Nieter lang, einen halben breit und nicht so hoch, daß ein erwachsener Mann darin bequem sitzen kann, erwecken selbe in jeder fühlenden Menschenbrust das tiefste Mitgefühl mit denen, die einst hier jahrelang schmachten mußten. Ein convnlsivisches Zucken ergriff Bruckner. Das mußte er selbst versuchen, die Qualen der Einsamkeit, der Finsterniß und des Moders, er wollte sie kennen lernen. Wieder brächte er unseren guten Förster in „Harnisch". Bruckner Wollte durchaus eingesperrt werden. Der Förster wollte nichts hören davon, es sei Zeit, hinaufzukommen. Da war aber Bruckner schon im Verließe drinnen und mit Bitten und Drängen und unserem Zureden kam es doch dazu, daß für kurze Zeit das Licht abgelöscht wurde. Es war still wie in einem Grabe und die einigest Minuten schienen uns eine Ewigkeit. Uns wurde selbst bange um Bruckner, es könne am Ende bei ihm da oben nicht mehr ganz richtig sein. — Die Zündhölzchen krachten und nun holten wir Herrn Antonius aus dem Verließe. Linz, zu Michaelis 1898. „Resurrexit!“ rief er mit pathetischem Tone. Er war erschöpft. - Beinahe feierlich, als hätten wir einen Delinquenten vor uns, folgten wir dem brummenden Förster. Es freue sich, >ver da athmet im rosigen Licht! Im Abendsonnenscheiu traten wir schweigend in' den Rittersaal, wo Wir noch eine kleine Stärkung zu uns nahmen. Nachdem der Förster das ansehnliche Trinkgeld, das ihm Bruckner in die Hand gedrückt, empfangen, traten wir den Abstieg aus der Festung Pernstein an. Noch einmal lvollte Bruckner auf der Brücke umkehren, um eine Inschrift im Rittersaale zu notiren; wir ließen aber nicht nach mit Bitten und Drängen, und so ging es Gott sei Dank den Schloßberg hinunter. Bruckner wusste von nichts als von der Hoheit des Todes, von der Macht der Auferstehung zu reden. Alles, was seine Seele heute, erschaut und erlebt, wollte er in Tönen verherrlichen. Das Ave-Läuten war eben verklungen, als wir das Thal erreichten. Noch einmal wandle sich Bruckner gegen die im bläulichen Abendnebel ver- schwimmende Burg. Er klagte über Ermattung und heftige Kopfschmerzen. Wir geleiteten ihn auch zur Herberge, wo er von seinen Plänen und der Composition einer neuen Messe schwärmte. Und das Wort wurde zur That. In dem herrlichen Credo ertönt uns zurück die Stunde der Einsamkeit und Finsterniß, die Bruckner in dem tiefen Verließe zugebracht, und voll und ganz müssen alle Zuhörer ergriffen werden, wenn wie ein Geisterhauch zu mächtigen übervollen Accorden anschwillt sein Resurrexit! Josef Greck, Lehrer. 7*
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2