106 eine Partie nach Altp ernst ein vor, wo er die Burgverließe besichtigen wollte. Ein unerwarteter Besuch bei Dr. Kalten- brunner hinderte die Familie, mitzugehen, und so unternahmen ich und noch ein Freund mit Bruckner, der sich wohl am Beginne der Partie ohne die zwei liehen „Doctormaderln" nicht recht fröhlich gestimmt zeigte, allein die Partie auf Pernsteins Höhen. Drei Uhr schlug es eben auf der Kirchenuhr, als wir vom schattig gelegenen Neupernstein, einer Besitzung des Stiftes Kremsmünster, aufbrachen. Es war ein heißer Tag, kein Wölkchen sah man am Horizont. „Ach langsam, langsam, meine lieben Freunder!", seufzte Meister Anton t>cim ersten Anstieg, und schon nach fünf Minuten lagerten nur im reizend gelegenen Buchenhain auf weichem Moose. Ueber unsern Häuptern neigten sich leise lispelnd die Kronen der Bäume, als erzählten sie einander von dem großen Meister, der in ihrem Schatten ruhe. Dieser aber schloß für Minuten seine Augen und über seine Lippen klangen, wie zarte Accorde der sinnenden Philomela, ganz eigene Weisen; er war der Welt für Momente entrückt. „SegW", sagte er, „so auf die Weis', wie's da droben rauscht, säuselt und singt, so hören Sie's auch in meiner Symphonie. Manchmal kummt's mir halt so schnell in Kopf und recht tiaf ins Herz, so daß ich alles niederschreiben möcht!" — Wir erhoben uns und wanderten nun unter musikalischen Erörterungen und Gesprächen bergan. Bruckner seufzte und lamentirte, als wir zur Schaum- reithner Capelle, von wo aus die Burg schon freundlich heruiedergrüßt, kamen. Wir ließen ihn also beidseitig einhüngen und so im halben „Engerltragen" kamen wir endlich zur Burgbrücke. Um uns nicht gleich eine zu heftige Abkühlung zu holen, gingen wir langsam zum nahen „Echo- platzl" unterm Hungerthurm, von wo ein lustiges Trio von Jodlern und Juchzern an die Falkenmauerwüude losgelassen wurde. Nun giugs in das einstige Naubnest derer von Pernstein, wo wir Labung bei gutem Bier mtb Käse fanden. Nachdem sich Bruckner auch ins Fremdenbuch eingetragen hatte, ergab er sich dein Studium der im Rittersaale, aus dessen Fenster einst ein Pernsteiner seinen Bruder, den Schellensteiner, werfen ließ, bis an die Decke angebrachten Ahnenbilder, vergilbten Scheiben und Wappen. An vielen derselben befinden sich schon ganz verblaßte und verwischte Inschriften, die auf den großen Meister einen eigenthümlichen Reiz ausüben mußten. Hier fing er nun an, seccant zu werden. Wohl zwanzigmal sollte ihm der Förster die Bilder und Inschriften erklären, mit aufgehobenen Händen bat und beschwor er' ihn um Entzifferung der Aufschriften, ja er rückte sich mit eigener Hand einen schweren Eichentisch an die Wand, stellte sich noch einen Stuhl daraiff, und kletterte mühselig hinauf, um ja alle Hieroglyphen enträthselu zu können. Da ging auch dem sonst gutmüthigen Weidmann die Geduld zu Ende, so daß er ihm zurief: „Sie hören's, Sie sind ja ein Narr!" Es drohte beinahe zu einem Conflicte zu kommen, und so mahnten wir Bruckner, daß tvir ja eigentlich der Burgverließe halber heraufgestiegen seien. Wir' besänftigten den Förster und nun willfahrte er unseren gemeinsamen Bitten und holte die Schlüssel zu den Kerkern. Der Weg dorthin führte uns an der am Schlosse befindlichen, gilt erhaltenen Gnadencapelle zur heiligen Maria, die hier vom Landvolke hoch verehrt wird, vorbei. Der Gnadenaltar ist mit einem herrlichen Madonnenbild (es soll ein Raphael sein) geschmückt. Die Abendsonne Äs ihre Strahlen in zitternden Kringeln durch die bunten Scheiben der schmalen Capellenfenster und beleuchtete in magischem Lichte das Antlitz der Gottesmutter. Bruckner, ein Überzeugungstreuer Katholik, kniete sich voll Inbrunst im ersten Stuhle der Capelle nieder und aus seinen bewegten Lippen und Gesten sahen wir, daß dem Tiefsten seines Herzens ein mächtig' Gebet entquoll. Noch lange wäre
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