104 Magenleiden auftrat und die unmittelbare Ursache der Berufung Schweninger's wurde. Damals stellte Dr. Schweninger die Diagnose, daß, wenn der Reichskanzler nicht durchgehends seine Lebensweise ändere, er vielleicht ein halbes Jahr noch so fortmachen könne, daß aber dann die Natur ihre Rechte geltend machen würde. Das Venen- leiden — das Bismarck nicht mehr ganz verlassen sollte — zeigte sich damals zuerst in bedenklichem Maße. Dr. Schweninger begann dann seine energische Behandlung, die Bismarck's Greisenalter erträglich gestaltete, aber schließlich den fortschreitenden Folgen des Alters, den Wirkungen des Leidens, an welchem der Altkanzler laborirte, nicht mehr Stand halten konnte. Als schließlich stets bedenklichere Anschwellungen der Kliedmaßen sich zeigten, war es klar, daß die Tage des Fürsten gezählt waren, nur vermuthete man, wie gesagt, die unvermeidliche Katastrophe noch in weiterer Ferne. Fürst Bismarck, der größte Staatsmann seiner Zeit, einer der größten Staatsmänner aller Zeiten, der treue Diener Kaiser Wilhelm's I., der Stolz seines Volkes, das er zu Macht und Wohlfahrt geführt, ist todt. Tiefe Trauer erfüllt die Herzen aller Deutschen, ob nun im Süden des neugeeinten Reiches, ob im Norden desselben ihre Wiege stand, und mit der Trauer des deutschen Volkes vermischt sich die Trauer der deutschen Fürsten, und selbst jene Völker, die schwer die eiserne Faust des lebenden Kanzlers empfunden hatten, versagen dem todten Kanzler nicht den aufrichtigen Tribut ihrer Achtung. Kaiser Wilhelm ll. hatte den Wunsch geäußert, den großen Todten unter feierlichem Gepränge in dem herrlichen Dome, der eben jetzt in der Hauptstadt des geeinten Reiches, in Berlin, ersteht, zu bestatten. Bismarck selbst aber hatte verfügt, daß sein Leichnam int Sachsenwald zur ewigen Ruhe gebettet werden solle, und Fürst Herbert Bismarck, der stets in hingebender, beispielloser Verehrung an seinem Vater gehangen, hat, indem er den Wunsch des Kaisers mit respeetvollem Danke ablehute, nichts Anderes gethan, als dem ausdrücklichen, wiederholt mündlich und auch schriftlich kundgegebenen Willen seines Vaters Rechnung getragen. So wird denn der Alte vom Sachsenwalde — seinem Willen gemäß — seine letzte Ruhestätte auf jenem mit der Hirschgruppe geschmückten Hügel finden, der gegenüber dem Parkthore des Friedrichsruher Schlosses sich erhebt. Ein würdiges Mausoleum wird sich ober den sterblichen Ueberresten Bismarck's wölben und das deutsche Volk wird nun in Hellen Schaaren zu dem Grabe seines großen Sohnes wallen und im Schatten des stolzen Eichenwaldes, den Fürst Bismarck als Lebender so gerne durchwandert, seinem verstorbenen ersten Reichskanzler seine Huldigung darbriugen. Im Berliner Mausoleum aber wird sich, über Befehl Kaiser Wilhelm's ll., ein prunkvoller Sarkophag zu Ehren des treuesten Dieners seines Herrn erheben, zu Ehren des deutschen Mannes, der, seitdem er an die Regierung kam, nur Ein Ziel im Auge hatte und dieses mit Energie und Ausdauer auch erreichte: dem deutschen Volke ein neues, einiges und mächtiges Reich unter der Führung der Hohenzollern zu geben. Otto Ed. Leopold von Bismarck wurde am 1. April 1815 in Schönhausen als Sohn Ferdinand's von Bismarck geboren. Das Geschlecht, dem er entsprossen ist, saß seit Jahrhunderten in der Altmark. Von der Burg Bischofsmark (Biscopesmark), welche nebst dem gleichnamigen Städtchen den Hartberger Bischöfen gehörte, hat es den Namen. Die Ahnherren des Kanzlers gehörten zu der reisigen Burgmannschaft der Bischöfe und behielten ihren Namen auch, als sie die Burg verließen und sich in Stendal niederließen, wo man sie den Patriciern und der Tuchhäudlergilde zuzählte. Schon 1270 wurde ein Herboret von Bismarck, der älteste bekannte' Ahne des Hauses, urkundlich genannt.
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