93 Kaiser wieder die Hand und mnschlang nochmals die heißgeliebte Tochter. Man sah wie schwer der scheidenden Monarchin der Abschied wurde — es sollte auch der letzte Abschied sein, denn Gatte und Tochter sollten die Scheidende lebend nicht mehr erblicken' Die Cur in Nauheim schlug der Kaiserin vortrefflich an, das Leiden wich der sorgsamen ärztlichen Behandlung und die Monarchin fühlte sich, als sie den Curort verließ, gekräftigt und neubelebt. Zur weiteren Erholung ging dann die Kaiserin in die Schweiz und am 29. August traf sie in Territet ein, wo sie im nahen Hotel von Mont de Caux bei Glion einen auf vier bis fünf Wochen berechneten Aufenthalt nahm. Freitag den 9. September hatte Ihre Majestät in Begleitung Ihrer Hofdame, der Gräfin Sztaray und einiger Herren der Suite, einen Ausflug uach Genf unternommen, woselbst sie im „Hotel Beaurivage" absticgen. Die Kaiserin machte m Genf verschiedene Promenaden am See und besuchte auch den Park uud die Villa des Baron Adolf Rothschild. Am Samstag wollte die hohe Reisende mit dem Dampfer über Territet nach Caux zurückkehren, während die Herren der Suite die Eisenbahn benützten. Gegen 2 Uhr sollte der Dampfer abgehen, und Kaiserin Elisabeth verließ um halb 2 Uhr in bester Laune und bei ausgezeichnetem Wohlbefinden nur von Gräfin Sztaray begleitet, das Hotel, um zum Landungsplätze des Dampfers zu gehen. Die beiden Damen schritten ruhig auf dem Trottoir des Quai de Montblanc ihrem Ziele zu, da sah Gräfin Sztaray, wie ein Mann raschen Schrittes von dem cm Hafen liegenden Schiffe auf sie zukam; er näherte sich der Kaiserin passirte rasch einen Baum, welcher zwischen ihm und der Kaiserin stand uud ganz nahe der Kaiserin schien er zu straucheln. Er uiachte eine Bewegung mit der Hand; Gräfin sztaray meinte, sie geschähe, um sich beim Stolpern aufrecht zu halten. Dann lief er weiter. Die Kaiserin hatte, von der Hand des Mannes auf die Brust getroffen, eine Bewegung nach rückwärts gemacht uud sank zusammen. Gräfin Sztaray fing sie in ihren Armen aus und aiif deren Frage, ob Ihre Majestät nicht wohl sei, antKaiserin: „Ich weiß nicht!", während auf die weitere Frage der Hofdanie: „Fühlen Eure Majestät Schmerzen?" die Antwort erfolgte: „Ich weiß es nicht zu sagen; ich glaube an der Brust etwas Schmerzhaftes zu fühlen." Nach kurzer Pause setzte ^hre Majestät, ohne einer Unterstützung zu bedürfen, ihren Weg zum Schiffe fort welches sie in fester Haltung bestieg. Auf demselben augelaugt, wendete sich die Karserm mit der Frage an die Hofdame: „Bin ich sehr blaß?" — „Jawohl, Majestät, X ist vor Aufregung," meinte die Befragte, doch im selben Momente sank Kaiserin Elisabeth neuerlich zusammen; sie hatte das Bewußtsein verloren. Am Schiffe wurde die Monarchin von einigen Damen gelabt; man hielt die Ohnulacht für einen Nervenanfall der hoffentlich bald vorübergehen werde — an ein Attentat hatte bis dahin noch Niemand gedacht. Die Kaiserin kam denn aiich bald wieder zu sich und fragte mit klarer Stimme: „Was ist denn eigentlich geschehen?" aber gleich darauf sank tvskder zurück; Leicheublässe überdeckte ihr Antlitz; sie athmete schwer, dann ging cer Athem in Röcheln über. Das Schiff ivnr, da Niemand von dem Entsetzlicheil, was sich doch soeben abgespielt, eine Ahnung hatte, über Zustimulung der Hofdame abgecampft; nun aber, wo der ganze Ernst der Situation aufzudämiuern begann, bat Graftu Sztaray den Capitän, zurückzufahren. Man langte wieder im Hafen an — die Kaiserin >var vollkomuicn bewußtlos. Rasch wurde aus Rudern und einer mit Sammt gepolstertenBank eine Bahre hergestellt, auf diese wurde Ihre Majestät gebettet und vom Capitän des Dampfers, Roux, vorn schweizerifchen Handelskammerrath heißet und einigen Leuten der Schiffsmannschaft nach dem „Hotel Beaurivage" gebracht, woselbst Teißet die Sterbende auf den Armen in die Appartements brächte welche sie vor Kurzem gesund und wohlgemuth verlassen hatte. Der rasch herbeigeholte Arzt Dr. Golay, unterstützt von Teißet, der Gräfin Sztaray, der Gattin des Hoteliers, Frau Mayer, und einer Kraukenwärterin, schnitt die Kleider der Ohn-
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