88 beiden Beklagten für den 7. Februar vor das Pariser Schwurgericht geladen wurden. Die am 7. Februar begonnene Verhandlung gegen Zola bot eine Fülle dramatischer Momente sowohl im Gerichtssaale, als außerhalb desselben und auch auf der Straße. Die chauvinistische und die antisemitische Presse Frankreichs hatte alles Mögliche gethan um den Pöbel gegen Zola aufzuhetzen; Zola wurde beschimpft" und bedroht und nur dem Eingreifen der Wache gelang es, ihn vor Thätlichkeiten zu schützen — ja gegen die Geschworenen selbst wurde in- direct die Drohung ausgestoßen, man werde sie ins Wasser werfen, wenn sie es wagen sollten, Zola freizusprechen. Und so kam es denn, daß am 23. Februar die Pariser Geschworenen mit Stimmenmehrheit die Schuldfragen gegen Zola und Perrcux bejahten, worauf der Gerichtshof über Zola die höchste gesetzlich zu- lüssige Strafe verhängte: ein Jahr Gefängniß, 3000 Francs Geldbuße. Dieses Urtheil wurde jedoch über die Nullitütsbeschwerde Zola's von dem Cassationshofe nach der am 31. März 1898 durchgeführten Verhandlung am 2. April nicht nur cassirt, sondern auch die Verweisung der Verhandlung vor ein neues Schwurgericht nicht angeorduet, da der Kriegsminister nicht die Berechtigung gehabt habe, das Klagebegehren einzubringen. Somit waren Zola und Perreux freigesprochen. Im Sinne der Begründung des Cassa- tionshofes erhob jedoch das Kriegsgericht Ester- hazy gegen Zola und Perreux eine neue Anklage, welche sich auf folgende drei Zeilen des offenen Briefes Z o l a's „Ein Kriegsgericht hat xar ordre gewagt, einen E st e r h a z y freizusprechen. Das ist eine gewaltige Ohrfeige für jegliche Wahrheit, für jegliche Gerechtigkeit", stützte. Die Vorladung über diese neue Anklage, welche noch deutlicher als die erste das Bestreben bekundete, den Proceß lediglich anf den Fall E ste rh azy zu beschränken, wurde Zola und Perreux am 12. April zngestellt. Nach dieser Vorladung sollte der Proceß am 23. Mai in Versailles — einer echten Militärstadt — stattfinden. Zu Beginn der neuen Verhandlung machte Z o l a's Vertheidiger L a b o r i die Jncompetenz des Gerichtes geltend, dieses erklärte sich jedoch competent, vertagte aber, nachdem L a b o r i den Einspruch an den Cassationshof über die Competenz angemeldet, über Begehren der Vertheidigung bis zur Entscheidung des Cassations- hofes die Verhandlung. Der Cassationshof lehnte am 16. Juni 1888 den Einspruch, respective die Nichtigkeitsbeschwerde Zola's gegen die Competenz des Versailler Schwurgerichtshofes ab. . Am 6. Juli 1897 starb zu Paris der „Akademiker" Henri Meilhac, einer der erfolgreichsten unter Frankreichs modernen Bühnen- schriftstellern, nach schwerer Krankheit im 67. Lebensjahre. Ihm verdankt die Bühne eine Reihe f.in geistreicher oder überaus lustiger Bühnenwerke. — Am 16. December 1897 verschied in Paris plötzlich au einem Herzschlage der Romancier und Dramatiker Alphonse Daudet, einer der interessamesten Charakterköpfe Frankreichs, im Alter von 87 Jahren. Anfangs Juli 1897 verursachten Hochwüsser in verschiedenen Gebieten Frankreichs schwere Schäden. Die Garonne überschwemmte mehrere Ortschaften; die Saone trat aus den Ufern und zerstörte in Jsle-en-Dodon 46 Häuser, wobei 13 Personen ums Leben kamen; in Samt Laurent wurden drei Häuser zerstört und drei Personen getödtet; in Auch und Nnigebung richtete der aus den Ufern getretene Fluß Gers enormen Schaden an, zahlreiche Häuser stürzten ein, 14 Leichen wurden gefunden. — Im Oc- tober 1897 ging infolge eines Zusammenstoßes mit einem anderen Schiffe das der „Lompa^nis des Messageries fiuviales“ gehörende Schiff „Raphael" im Meerbusen von Tonking unter, wobei 30 Personen ertrunken sind. Am 4. Juli1898 sank infolge eines Zusammenstoßes der Dampfer der französischen Transatlantischen Gesellschaft, „Bourgogne" (7% Millionen Francs werth) bei Sable-Jsland. 868 Personen ertranken, also mehr als irgend ein bekannt gewordenes Schiffsunglück an Menschenleben bisher gekostet hat. England. England ist nachgerade in die Lage ge- komnien, die Nachtheile seiner politischen Vereinsamung — der Folge seiner eigenen Politik — zu empfinden; die raschen Vorstöße Deutschlands und Rußlands in China, das Vorgehen Rußlands in Centralasien, die Kämpfe an der indisch-afghanischen Grenze haben in England eine gewisse Erregung verursacht, welche wohl die Ursache der Rede war, die der Staats- secretär für die Colonien, Chamberlain, am 13. Mai 1898 in Birmingham hielt, und in welcher er die Lage als ernst und trübe bezeichnete und der Meinung Ausdruck ' gab, daß bald die Zeit kommen könne, in der es nöthig sein werde, an den Patriotismus des Volkes zu appelliren. Chamberlain, dessen Rede aus Anlaß der russisch-chinesischen Ereignisse speciell gegen Rußland gerichtet- war, stellte ein Bündniß aller Anglo-Saxouen in Aussicht und bekundete überhaupt ein eminentes Allianzbedürfniß. Das Aufsehen, welches die Rede, besonders wegen ihrer Pointe gegen Rußland, in Europa hervor- rief, veranlaßte Lord Salisbury in der Oberhaussitzung vom 17. Mai etwas sanftere Saiten aufzuziehen, im Wesen waren seine Ausführungen jedoch auch nichts Anderes als jene Chamberlain s. Inzwischen aber war England nicht unthätig gewesen; es eröffnete Verhandlungen mit China Und Japan, uin sich ein Recht
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