86 Unfälle; der schwerste derselben ereignete sich ani 8. August 1897, an welchem Tage auf der Strecke Varese—Como bei Maluate ein Per- sonenzug mit einem von 600 Pilgern besetzten Extrazuge zusammenstieß; 26 Personen wurden verletzt, darunter 4 schwer. — Am 24. Oetober 1897 haben wolkenbruchartige Regengüsse in einigen Gegenden Italiens (Ginlianova, Ascoli, Chiaravalle, Ancona, Loretto, Forli, Faenza, Teramo) zu schweren Ueberschwemmungen geführt, welche viele Häuser zerstörten und auch sonst großen wirthschaftlichen Schaden verursachten. Auch der Verlust mehrerer Menschenleben war zu beklagen; so stürzte in der Nähe von Meldola ein Haus ein, wobei neun Personen verschüttet wurden. ArauKreich. In Erwiderung des Besuches, welchen das russische Kaiserpaar im Oetober 1896 in Frankreich machte, erschien im August 1897 der Präsident der französischen Republik Faure in Rußland. Derselbe langte am 23. August in Kronstadt ein, woselbst er zuerst wieder mit dem Czaren zusammentraf. Run folgten in Petersburg, Krasnoje-Selo und Kronstadt eine Reihe glänzender Festlichkeiten, Paraden rc. und als Faure ani 26. August wieder den russischen Boden verließ, da war endlich aus Anlaß eines in Kronstadt an Bord des französischen Panzerschiffes Polhuan" stattgefundcnen Dejeuners das von den französischen Chauvinisten so dringlich und beharrlich geforderte Wort „Allianz" gefallen. Kaiser Nikolaus hatte den Toast Fanre's mit einem anderen Toaste erwidert, welcher die Worte enthielt: „Ich schätze mich glücklich, zu iehen, daß Ihr Aufenthalt unter uns ein neues Band zwischen unseren beiden befreundeten und alliirten Nationen schafft" — und damit war neben dem deutsch-italienischösterreichischen Dreibünde der französisch-russische Zweibund in Europa zur Thatsache geworden. Eine Aenderung in den freundlichen Beziehungen der Continentalmächte hat dieser neue Bund aber bisher nicht zur Folge gehabt. Am 8. Mai 1898 fanden in Frankreich die Wahlen für die Deputirtenkammer statt; die Physiognomie derKammer blieb in der Hauptsache dieselbe, wie sie in der letzten Kammer war. Trotzdem sollten die Wahlen dem Ministerium Meline, welches sie geleitet hatte, verhängnißvoll werden. Am 1. Juni trat die neugewählte Kammer zusammen, und gleich ani ersten Tag kam es aus Anlaß der Wahl des provisorischen Kammerprü- sidenten zu lebhaften Tumulten. Die Opposition hatte Brijson, die Regierungspartei Dcschan el als Candidaten aufgestellt. Bon 687 abgegebenen Stimmen entfielen 276 auf Brisson, 277 auf Desch anel. Nachdem man aber bei Zählung der Stimmen eine auf den Boden gefallene Kugel vergessen hatte, so entstand über die Giltigkeit der Wahl eine tumultuöse Discnssion, welcher Deschanel ein Ende machte, indem er selbst ein neues Scrutinimn verlangte. Dieses fand am 2. Juni statt. Diesmal wurden 662 Stimmen abgegeben, wovon 282 auf Deschanel und 278 auf Brisson entfielen — wonach D e s- ch a n e l als gewählt erschien. — Am 9. Juni wurde Deschanel definitiv in seiner Würde bestätigt. Eine Debatte über die allgemeine Politik des Cabinets, welche in ihren Grundzügen zu Ungunsten des Cabinets Möline ansfiel, veranlaßte dieses am 16. Juni 1898 seine Demission zu geben, worauf Faure nach längeren Verhandlungen am 28. Juni das radicale Cabinct Brisson berief. Älm 24. März 1898 kam es in Algier zn ernstlichen antisemitischen Ruhestörungen, welche durch Waffengewalt unterdrückt werden mußten und noch längere Zeit ihre Nachwirkungen spüren ließen. Das lebhafteste Interesse der Bevölkerung, und zwar nicht nur Frankreichs, sondern ganz Europas, nahm eine Reihe von Processen in Anspruch, welche sich in der Berichtsperiode in Frankreich abspielten. Es waren dies die Processe gegen Esterhazy und Zola. Die seinerzeit — im Jahre 1894 —erfolgte Beurtheilung des Capitäns Dreyfus wegen angeblichen Landesverrathes durch Auslieferung, respective Mittheilung militärischer Geheimnisse an einen fremden Staat hatte besonders im Auslande große Sensation erregt. Dasselbe war vorzüglich mit Rücksicht auf die eigenartige Verhandlung dieses Processes zur Anschauung gelangt, daß hier ein Rechtsirrthum vorgelegen sein mußte, und die schier barbarische Art, wie man den auf der Teufelsinsel deportirten Capitän behandelte, wie man nicht nur durch die strengste Bewachung, sondern sogar durch eigene Gitterwerke den Gefangenen förmlich zu einem lebendig Begrabenen machte, hatte zur Sensation noch das Mitleid gesellt. Aber nicht nur i:n Auslande, sondern auch in Frankreich rang sich die Ueberzeugung immer mehr zu Tage, daß man in Dreyfus einen Unschuldigen getroffen. Der greife Senator Scheurer-Kestner hatte gleichzeitig mit, aber unabhängig von der Familie Dreyfus es unternommen, der Sache nachzuspüren, und Anfangs November zögerte er nicht länger, in einer Unterredung mit dem ehemaligen Deputirten Cl6me nceau, seine Ueberzeugung anszusprechen, daß Dreyfus das Opfer eines schrecklichen Rechtsirrthums geworden, und von da drängte eine Schaar unerschrockener Vertheidiger der Wahrheit und Gerechtigkeit nach einer Revision des Processes Dreyfus. Die Regierung aber stemmte sich, besonders unter dem Einflüsse des Generalstabes, mit aller Macht gegen diese Revision, ihr war dw Affaire Dreyfus eine res judicata, an der nichts mehr zu ändern sei. Da trat am 16. November 1897 Mathieu Dreyfus, der Bruder des Deportirten, in einem
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