73 Oraf Wadeni. dreimaliger Kugelwechsel auf 28 Schritte Entfernung. Eine Kugel trat dem Ministerpräsidenten beim Ellenbogen in den rechten Arm ein und blieb in der Schulter sitzen. Der intervenirende Arzt mußte eine schmerzhafte Operation vornehmen^ um die Kugel herauszuziehen. Die Heilung erfolgte in normalerWeiseundkurzerZeit. Am 8. October 1897 brachten die Abgeordneten Dr. Ebenhoch und Genossen einen neuerlichen, etwas modificirten Gesetzentwurf auf Abänderung des Reichsvolksschulgesetzes im Abgeordnetenhause ein. Am gleichen Tage stellten die Abgeordneten Baron Dipanli und Genossen folgenden Dringlichkeitsantrag: „Im Anschlüsse an die in der Sitzung vom 29. April d. I. abgegebene Erklärung, und von der Ueberzeugung ausgehend, daß die Beseitigung der thatsächlich in Böhmen und Mähren herrschenden nationalen Erregung mit allen gesetzlichen Mitteln angestrebt werden muß, wird der Antrag gestellt: 1. Es sei im Sinne des § 43 der Geschäftsordnung ein 36gliedriger Ausschuß aus dem ganzen Hause zu wählen, mit dem Auftrage, zum Zwecke der Aufhebung der Sprachenverordnungen grundsätzliche Bestimmungen über die im Gejetzgebuugs- wege anzustrebendc Regelung der Natioualitäten- nnd Sprachenfrage dem Hause vorzulegen. 2. Der Ausschuß werde beauftragt, dem Hause längstens binnen sechs Wochen Bericht zu erstatten und Anträge zu stellen." Inzwischen hatte die Erregung der Deutschen in Böhmen und ihrer Vertreter im Parlamente immer mehr zugenommcn; neues Oel goß in das Feuer der Umstand, daß die vom Präger Stadtverordneten-Collcgiuiu in den deutschen Bezirksschulrat!)entsendeten czechischcu Mitglieder in dieser Körperschaft einen Sprachencouflict hervorriefen, indem dieselben (Ingenieur Neu- bert und Buchhändler Adälbert Storch) die Erklärung abgabcn, sich fortan in der Sitzung nur der czechischcu Sprache bedienen zu wollen, was die deutschen Mitglieder zu einem geharnischten Proteste veranlaßte und den Vorsitzenden, Bürgermeister Dr. Podlipnp, zwang, alle Bemerkungen der beiden Czechen mit deutschen Rainen ins Deutsche zu übertragen. — Die Erregung der deutschen Abgeordneten war bereits so weit gediehen, daß dieselben sich entschlossen, den Weg der Obstrnctiou zu betreten. Als Mittel zumZweckc wurden zunächst die Anträge aufRichtigstellung des Protokolles, die vollinhaltlicheBer- lesung von Petitionen und das Verlangen nach na- mcntlichen Abstimmungen über die Einverleibung dieser Petitionen ins Protokoll zur Anwendung gebracht, wodurch die Sitzungen eine bis dahin ungewohnte Länge erreichten. Die Versuche der Rechten, die Wege der Obstrnction zu kreuzen, führten in der Nacht vom 19. auf den 20. October zu eminenten schweren Conflicten mit dem Präsidium, respective dem Bicepräsideuten Abrahamoöicz. (Als Präsident fungirte in der Session Dr. Kathreiu, als Vicepräsidenten David R. v. Abrahamovicz und Dr. Kramar.) Auf der Tagesordnung der Sitzung vom l9. October stand der erste Anklageautrag gegen das Ministerium, welches einen Geheimerlaß an die politischenLandesbehörden betreffend dieHand- habung der Aufsicht bei Versammlungen hcraus- gegeben, worin die interveuireuden Beamten angewiesen wurden, Redner nicht vorzeitig zu unterbrechen, um eine eventuell von diesen beabsichtigte strafbare Aeußerung voll zum Ausdrucke gelangen zu lassen, denn nur auf diescArtkouneder Thatbestand eines Deliktes zu Tage treten. Eine A. K. Wolf.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2