Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

68. Namen tragenden Agramer Infanterie-Regiments Nr. 83 (des alten Trenk'schen Pandurencorps), den praktischen Dienst aber begann er erst im Jahre 1848 als zweiter Oberst im 8. HusarenRegiment. Im Jahre 1848/49 machte er die Feldzüge unter Radetzky mit und zeichnete sich bei der Belagerung von Malghcra aus. Im Jahre 1830 wirkte er als FeldmarschallLieutenant in Schleswig-Holstein und im Jahre 1834 commandirte er eine Division in dem mobilisirten Armeecorps, das in Galizien con- centrirt war. Seine langjährige Thätigkeit als Leiter der Geniewaffe in Oesterreich begann im Jahre 1835 mit seiner Ernennung zum Gencral- Geniedirector. Im Jahre 1859 fungirte er als General-Genieches der operirenden Armee. Der Kaiser ernannte ihn im Jahre 1863 zum Marinetruppen- und Flotteninspector, welche Stellung er bis 29. Februar 1868 bekleidete. Im Jahre 1866 commandirte Erzherzog Leopold, wie man weiß, das 8. Corps, nahm bei Skalitz den Kampf auf und wurde verwundet. Er trat nach dem Feldzuge wieder in seine Stellung als General-Genieinspector zurück. Seit seinem Rücktritte von dem General-Genieinspectorate lebte Erzherzog Leopold (1867 zum General der Cavallerie avancirt) zurückgezogen und einsam, heimgesucht von schwerem Leiden auf Schloß Hörenstein. . Große Sorgen brächte auch dem Kaiserhause wie den Völkern Oesterreichs die Ende Februar 1898 erfolgte schwere Erkrankung ihrer kaiserl. königl. Hoheit der Kronprinzessin-Witwe Stephanie. Bereits seit längerer Zeit an den Folgen einer schweren Verkühlnng leidend, war dieselbe Mitte Februar von der Influenza befallen worden, die in eine Lungen- und Rippenfellentzündung überging. In der Nacht vom 4. auf den 3. März gestaltete sich der Zustand der Patientin plötzlich zn einem ungünstigen. Es gab wiederholt Momente, wo dieser Zustand einen bedenklichen Charakter annahm; die Kronprinzessin hatte zuweilen mit so schwerer, anhaltender Athemnoth zu kämpfen, daß es der Anwendung energischer Mittel bedurfte, um der Kranken eine Erleichtung gegen diese Anfälle zn schaffen. Ein am 5. März stattgehabtes Consilium fand die Situation so ungünstig, daß die behandelnden Aerzte es für angezeigt hielten, Se. Majestät den Kaiser von der eingelretenen Wendung zu verständigen. Zum Glücke aber gelang es der kräftigen Constitution der Erzherzogin, unterstützt von der Kunst der Aerzte, auch diesen schweren Anfall zu überwinden und bald konnte der Bevölkerung Oesterreichs die frohe Kunde werden, daß jede Gefahr überstanden und die hohe Patientin sich in Reconvalescenz befinde. , , Die auswärtige Politik Oesterreichs bewegte sich auch im Berichtsjahre im bewäbrten Nahmen weiter; der Dreibund stand nach >oie vor unerschüttert fest, und die Beziehungen zn den übrigen Mächten waren die denkbar besten, wobei sich anch das Verhältniß zu Rußland stets freundlicher gestaltete. Mehrfache Besuche fremder Fürstlichkeiten in Wien und Pest waren sprechende Symptome für die günstige Con- stellation der auswärtigen Politik. Wir haben liier der Begegnung unseres Kaisers mit dem König Christian von Dänemark am 6. Juli 1897 in Gmünden, der Besuche des Königs Alexander von Serbien in Wien im August 1897, des deutschen Kaisers in Budapest tin September 1897, des Königs Carol und der Königin Elisabeth von Rumänien in Wien, resp. Budapest, im September 1897 zu gedenken. Zwei Fälle haben im Berichtsjahre zn diplomatischen Weiterungen geführt. Der erste ereignete sich im Monat November 1897 zu Mersina, einer kleinen Hafenstadt in Kleinasien; die dortigen Behörden hatten die Rechte eines Angehörigen der österreichischen Monarchie verletzt, und als derselbe nach widerrechtlicher Ausweisung zurückkehrte, wurde er von den türkischen Behörden thätlich mißhandelt und die Flagge Oesterreich-Ungarns nicht respectirt. Der Botschafter Oesterreichs in Constantinopel, Baron Calice, verlangte Genugthuung; die Pforte suchte jedoch sich über die gerechte Forderung hinwegzusetzen. Hierauf überreichte der Botschafter der Pforte ein Ultimatum, bei desten Ueberreichnng der Pforte kein Zweifel über den Ernst der Situation gelassen wurde. Zwei österreichische Kriegsschiffe und ein Torpedokreuzer befanden sich in den Gewässern von Mersina, um sich selbst Genugthuung zu nehmen, falls die Türkei den Termin verstreichen lassen sollte. Die Pforte versuchte es, mit theilweisen Concessionen über die Sache hinwegzukommen, Baron Calice aber bestand auf der vollen Sühne und — so entschloß sich denn die Pforte im letzten Augenblicke. die verlangte Genugthuung in allen Punkten zu gewähren. Um 1 Uhr nach Mitternacht — am Morgen des 18. Növember — erhielt Baron Calice die diesbezügliche Note der Pforte, womit der Zwischenfall beigelegt war. Der zweite Fall betraf Bulgarien. Am 21. Juli 1897 hatte zu Philippopel der Proceß gegen den ehemaligen Rittmeister Detschko Boitschew, Carlo Novelitsch, Bogdan Wa- siliew und Nicola Boitschew wegen meuchlerischer Ermordung der österreichischen Uutcr- thanin Anna Simon begonnen. Boitschew und Consorten sollten, nach der Anklage, der Anna Simon, der Geliebten des Rittmeisters, mit Erfolg nach dem Leben gestrebt haben, um den Rittmeister frei zn machen. Die Anna Simon sollte von den Verschworenen erdrosselt und dann ins Wasser geworfen worden sein. Nach langwieriger Verhandlung wiirde am 29. Juli' das Urtheil gefällt; Rittmeister Detschko Boitschew und Carlo Novelitsch wurden des vorbedachten Mordes unter Zuer- kennung mildernder Umstände für schuldig

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