Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

66 und Fischen, eine Molkerei-, Bäckerei- und Conditorei-Ausstellung, eine Musterküche und Kostlogen. , „ Dieser erstenJubiläums-Ausstellung, welche naturgemäß nur wenige Tage dauerte, folgte als zweite die Jubiläums-Kunstausstellung im Wiener Künstlerhause, welche am 19. April 1898 ebenfalls durch Sc. Majestät den Kaiser eröffnet wurde und bis Ende Juni 1898 dauerte. An: 7. Mai 1898 endlich öffneten sich die Pforten der großen gewerblichen sowie land- und forstwirthschaftlicheu Jnbiläums-Ausstellung in der Rotunde und deren Park im Wiener Prater. Die zahlreichen in Wien aus allen Theilen des Reiches erschienenen Feuerwehren und Veteranenvereine — man zählte annähernd 36.000 Feuerwehrmänner und 18.000 Veteranen — bezogen Mittags mit wehenden Fahnen den ihnen angewiesenen Platz und um halb 3 Uhr Nachmittags verließ der Kaiser die Burg, um über die mit Flaggen, Reisig- und Blumenguirlanden prächtig geschmückte Ringstraße zur Ausstellung zu fahren. Unten in den Riesenräumen der Ro- tunbe, woselbst die eigentliche Gewerbe-Ausstellung sich installirt hatte, und in den Avenuen des Ausstellungsparkes drängte sich eine tausend- köpfige Menge aus den geladenen Elitekreisen der Residenz, der Ankunft des Monarchen und der officiellen Eröffnung der Ausstellung harrend. Es war ein feierlicher Moment, als sich unter den Klängen der Volkshymne und den brausenden Jubelrufen der Erschienenen der Vorhang öffnete, welcher den Ausgang vom Kaiserpavillon in die Rotunde schloß, und der Kaiser, umgeben von den Erzherzogen und den höchsten Würdenträgern des Staates, erschien und die Ausstellung für eröffnet erklärte. Worte des huldvollsten Lobes sprach der Kaiser zu den Veranstaltern der schönen Exposition und dieses Lob erklang auch aus dem Munde aller Besucher. Wohl bot die Ausstellung und insbesondere der Park bei erster Betrachtung ein etwas verwirrendes Bild, aber nach längerem Verweilen löste sich der verwirrende Eindruck und das Auge gewöhnte sich an das ungewöhnliche Bild, ja es fand an Manchem vielleicht sogar Gefallen, das ihm im ersten Momente nicht behagen wollte. . Zu den interessantesten und vielbesuchtesten Theilen der Ausstellung gehörten, neben den Pavillons der Stadt Wien und der Stadterweiterung, der Pavillon der Wohlfahrtsaus- stcllung — als deren Annex eine MusterSuppen- und Thceanstalt im Betrieb fungirte — die Jugendhalle, die „Urania", die bosnischen Pavillons und im Inneren der Rotunde die vom Wiener Bicyeleclub veranstaltete Sport-Ausstellung, der Seidenhof, der Silberhof, die Exposition der Heeresausrüstung und die kunstgewerbliche Ausstellung, welche ein erfreuliches Zeugniß für die Bedeutung der Wiener Kunstindustrie bildete. Neben diesen Specialexpositionen gebührt noch besondere Erwähnung der land- und forstwirthschaftlichen Exposition, als deren anregendster Theil die zahlreichen temporären Ausstellungen (Pferde, Rinder, Schafe, Schweine, Hunde, Gemüse, Blumen, Obst w. rc.) zu bezeichnen sind, unter welchen wieder die im Monate Juni veranstaltete SpecialauSstellung bosnischer Nutzthiere hervorragendes Interesse erweckte. ' Neben den bezogenen Veranstaltungen zu Ehren des Koiserjubiläums haben wir hier noch des Huldigungsfestzuges der Wiener Schuljugend zu gedenken, an welchem bei 70.000 Schulkinder theilnahmen und welcher sich am 24. Juni vom Rathhause bis zum Schwarzenbergplatze, vor Sr. Majestät defilirend, bewegte. Es" war eines der anmuthigsten Schauspiele, deren Wien während der Jubiläumszeit theilhaftig geworden ist. Endlich sei hier noch das V. Oesterreichische (Kaiser-Jubiläums-l Bundesschießen erwähne, welches am 26. Juni 1898 mit einem großen Huldigungsfestzuge des Oesterreichischen Schützcnbundes erngeleitet wurde, der mit seinen herrlich geschmückten Festwägen eine farbenglänzende Augenweide den nach Hunderttausenden zählenden Zuschauern bot. Wie aber im Menschenleben Schmerz und Freude enge mit einander verschwistert sind, so sollte auch im Berichtsjahre dem Kaiserhause und den dessen Geschicke in Freude und Leid getreulich mittragenden Völkern Oesterreichs schwerer Kummer nicht erspart werden. Am 23. März 1898 starb in Preßburg Erzherzogin Natalie, die vierte von den acht Töchtern des Erzherzogs Friedrich und der Erzherzogin Jsabella. Die Krankheit der jugendlichen Erzherzogin hatte nur circa acht Tage gedauert: anfänglich vermutheten die Aerzte eine typhöse Erkrankung, bald aber wurde eine Gehirnhautentzündung constatirt, gegen welche die Aerzte vergeblich ankämpften. Der Zustand der Kranken blieb fortwährend ein gefährlicher, am 23. März verschlimmerte sich der Zustand dermaßen, daß die schlimmsten Befürchtungen gehegt wurden, und um y2ll Uhr Nachts trat denn auch dw gefürchteteKatastrophe ein. Erzherzogin Natalre ivar am 12. Jänner 1884 geboren worden, hatte also kürzlich ihr vierzehntes Lebensjahr erreicht. Mit ihr ist eine holde Müdchenblume, ein schönes, anmnthvolles Wesen von hinnen geschieden. — Am 21. Mai 1898 verschied in seinem Schlosse Hörensteiu bei Piesting Erzherzog Leopold. Als der älteste Sohn weiland des Erzherzogs Rainer, welcher als Vicekönig im lombardo-venetiauischen Königreiche waltete, und dessen Gemahlin Marie Elisabeth, einer geborenen Prinzessin von Savoven - Carignan, ivar Erzherzog Leopold am 6. Juni 1823 zu Mailand geboren und widmete sich schon in der Jugend mit Vorliebe den technischen Wissenschaften. In die Armee trat er im Jahre 1833 als Oberstinhabcr des bis heute seinen

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