Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

60 halte in der Schule neben ihm gesessen, manchen tollen Streich mit ihm verübt. Also ein Stadtkind war der Fremde, der als Krösus heimgekehrt.------------ Diesem, als er nach Wochen in dem kleinen Krankenhause langsam der Genesung entgegen schlummerte, zog im Halbtraum sein ganzes bisheriges Leben in verworrenen Bildern vorrüber. Hustete da nicht eben Cecile? Mit ihrer fieberglühenden Hand strich sie ihm das Haar aus der Stirn. Ach, Unsinn! das war ja die Kopfwunde, die bei der leisesten Berührung brannte. Unruhig warf er sich auf den zerwühlten Kissen umher. Richtig, da knackte der Hahn am Revolver. Die Buschklepper, die das mühsam aus dem kalifornischen Sand geschanfelte Gold ihm wieder abjagen wollten. Er athmete mühsam, doch nach und nach glätteten sich seine Züge, und wie leises Lächeln glitt es über sein finsteres Gesicht. Das war doch nicht die Krankenschwester, die leise mit den Medicinflaschen klirrte. Im Nebenzimmer rüstete ihm ja die Mnlter den Geburtstagstisch. Der Duft von Levkojen, Reseda, frischem Kuchen strömte ja zu ihn: herein. Es war Sonntag Morgen. Bald würde sie kommen, den lieben Langschläfer niit einem Kuß zu wecken. Mit plötzlichem Ruck saß er aufrecht. Er wußte Alles, besann sich haarscharf auf Alles. Er war kein glücklicher, sorgloser Knabe mehr, lagerte nicht nächtlicher Weile mit allerlei Gesiudel im kalifornischen Busch. Er war heimgekehrt, ein fremder, reicher, armer Mann. Und nun wußte er auch, daß in dem Cypressen-umrauschten Märchenschloß am Bosporus seines Bleibens nicht mehr sei. Das kleine Haus am Riug, in dem seine Wiege gestanden, aus dem man die Särge derEltern getragen,mußte wiedersein eigen werden. Dort wollte er ein Leben des Wohlthuns, der werkthätigen Liebe beginnen. Das Vermögen des alten Schmugglers, die reiche Mitgift, welche die arme Cecile nicht hatte genießen dürfen, in seinen Händen soll sie zu reichem Segen werden. Nicht allein dem alten Krause und seiner Enkelschaar, den Armen des Städtchens, nein, seiner ganzen holden Bergheimat wollte er den Mangel fern halten. Alle Elenden, alle Enterbten des Glücks sollten Zuflucht finden an seiner Schwelle. Tausend Verzweiflungsthräneu würde er trocknen, blasse Leidensmienen in frohe verwandeln können. Für Andere hatte er sterben gewollt. Nun fühlte er, daß leben, sorgen, wirken besser, segensreicher sei. In tiefen Athemzügen hob sich die breite Brust, eiu seltsames Leuchten erhellte die düstern Augen, so daß die freundliche Krankenschwester an sein Lager trat. „Nicht wahr, heute geht es besser?" fragte sie. „Bald wird die Genesung kommen." Er reichte ihr die Hand. „Ich bin genesen, auferstanden zu besserem Leben. Eine Welt der Arbeit, freudigen Schaffens liegt vor mir!"

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