Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

51 Diamanten- und Elfenbeinhandel schienen sogar neue Bahnen geöffnet. Er konnte, reicher, mächtiger denn je zurückkehren, abreisen sofort. Aber in seinem einsamen Gartenschloß am Bosporus erwartete ihn Niemand, als die träge Dienerschaar, und er hatte, in seine Geschäfte vertieft, so gut wie garnichts von der deutschen Neichshauptstadt gesehen. Er lachte kurz auf. Je früher den deutschen Staub von den Füßen geschüttelt, je besser. Vielleicht ließen sich aber durch Zerstreuung die ungebetenen Gäste, diese fatalen Gedanken, verscheuchen. Also einen Bierbummel, wie der deutsche Student zu sagen Pflegt. Dazu gehörte Stimmung, fröhliche Genossen, und er kannte hier Niemand. Dann Circns, Schauspiel, Oper! Um keinen Preis. Alle diese Genüsse hatte er damals in Paris, in der ersten Zeit seiner kurzen, unbefriedigten Ehe bis auf die Hefe ausgekostet. Papa Caillervn und Cecile hatten sich mit wahrem Heißhunger in das laugentbehrte, heimische Vergnügen gestürzt. Aus dem Circus ging es in eine Feerie, aus der Feerie iu ein Ballhaus, gleichviel welchen Ranges, von dort in die ersten Restaurants, wo die Kellner, in Anbetracht des reichlichen Trinkgeldes, ein spöttisches Lächeln unterdrückten über die vulgären Gäste, bis endlich der Tag oder vielmehr die Nacht in irgend einem Cafä beschlossen wurde. So ging es Wochen-, monatelang bis die kleine, zarte Frau, die beständig hustete und fieberte, zusammenbrach und selbst heimverlangte in das myrthen- umblühte Landhaus am Meer, das ihr der Vater zur Ausstattung geschenkt. Auf hoher See war sie dann gestorben, und der alte Pirat, dessen einziger Lebensinhalt eben diese Tochter gewesen, folgte ihr bald, Robert Heider, dem pfenniglosen Abenteurer, alle seine erbeuteten Reichthümer znrücklassend. Dort oben im Goldland waren sie Nachbarn gewesen, er und der alte, pergamentfarbene Franzose, dessen Matrosenschenke nur ein Deckmantel war für den ungesetzlichen Wucher, den er trieb. Man pflegt nicht sehr wählerisch zu sein in Kalifornien, zumal, wenn man ein solch armer, glückverlassener Bursche ist, dem Niemand niehr etwas borgen will. Eine warme Fürsprache hatte er freilich in der Tochter des Alten, dem dunkeläugigen „Stern vom Sacramento" gefunden. Mademoiselle Cecile Caillervn begann mit ihm zu coguettiren, und er, obgleich er für das kleine, leichtfertige Ding mit den hochroth geschminkten Wangen und heiserer Stimme auch nicht das Geringste fühlte, ging darauf ein — aus Langeweile. Man neckte ihn mit seiner Eroberung, neidete ihm auch wohl den Goldfisch, der wirkliche Brillanten und hohe Stöckelschuhe trug, und ehe er sich's versah, war er mit Vater und Tochter unterwegs nach Europa. Cecile vertrug das kalifornische Klima nicht und Papa Caillervn wollte dem Schwiegersohn seinen Elfenbeiuhandel in Con- stantinopcl übergeben, um dann in der Welt weiter herumzugaunern; Cecile sollte doch nun einmal das Leben einer Fürstin führen. In Marseille wurden sie getraut. Er gedachte seiner Mutter und ließ die kleine, fieberheiße Hand, die der Priester eben in die seine gelegt, unwillkürlich fallen. Dann kam der tolle Winter in Paris, Cecile's Tod, seine Metamorphose zum Millionär, und weiter? Ja, weiter kam dann wohl nichts mehr! —-------- Länger als ein Jahrzehnt hatte er dieser Dinge nicht mehr gedacht. Warum erschien ihm jetzt plötzlich die Vergangenheit in solch einem grellen Lichte? War er, trotz aller Irrfahrten, doch ein Deutscher geblieben, ein schwerfälliger Deutscher? — Qualvolle Aussicht, diese endlosen Stunden auf heißem Lager ruhelos sich hin- und herzuwerfen. Und dann die ungebetenen Gedanken, diese wilde Jagd! Das Beste wäre wohl eine Nachtfahrt ins Blaue hinein. Vielleicht trug

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