Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

44 länger halten mögen, noch gegen eines Andern Einflüsterungen taub geblieben wäre. Ich hatte mir manchmal eiugeredet, so recht aus tiefstem Herzeu und zugleich mit allen Sinnen Einen lieb haben, das sei sie gar nicht im Stande, und mich darum immer mit ihrem Gutsein begnügt, aber sie konnt's doch, wie ich's dann erfuhr. Noch während sie mich mit guten Vertröstungen hinhielt, zu weichmüthig oder zu feige, zu sageu: ,Geh' Deiner Wege, mit uns ist's aus' oder ,Dein bleib' ich für alle Zeit', ließ sie sich schon von Andern znm Tanze führen. Sie wußt' es vielleicht nicht oder konnt' fich's nicht vorstellen, wie es mir das Herz abstieß, daß ich sie lassen mußte, um das Gütel und um den Lump von Abenteurer, dem's zustand. Und wenn auch, wenn man Einen nicht lieb hat, so ist man halt auch grausam und fragt nicht viel nach seiner Pein. Aber ich hatt' meine Arbeit, und ich hatt' meine Berge, meine Wolken und Winde, und denen ging ich und spürt' ich nach und suchte mein Herzeleid zu vergessen. Oben am Wendlerstein hatt' ich mir eine Hütte zurecht gemacht und drin mit des Schulmeisters Hilfe allerhand Geräth hingcstellt zu meiner Liebhaberei, schaute aus, speculirte uud cal- culirte und hatte niein Wesen mit der Natur. Das war ein rechter Trost für den Anton, als er dahinter kam! Hatte so eine Manier an sich, die sich doch nicht recht beschreiben läßt, freundlich und dabei höhnisch und hochmüthig, daß es Einem innerlich kochte, daß man ihm an den Kragen gewollt und doch nicht konnte. Nicht einmal eine Bosheit konnte er sozusagen ehrlich herausbringen, immer so halb und halb, so mit 'ner Hinterthür: ach, hast Dn's so verstanden? Es gibt solche Leute, Sie werden's auch erfahren haben, der Teufel mag ihnen etwas anhaben, streicheln Sie oben und treten Ihnen dabei auf die Zehen: Entschuldigung, so war's nicht gemeint! und uiacht sich besonders gut in der Verwandtschaft, wo Sie Einem nicht ohne weiteres aus dein Wege gehen oder ihn vor die Thür setzen können. Ich ver- sucht's aber doch uud ging ihm wenigstens aus dem Wege, wo ich konnte. Einmal machte ich mich auf nach Frühauf, um die Resel zu sehen, wo ich sie etwa träfe auf Weg und Steg, kriegt sie aber nicht vor die Augen. Unterdem, wie ich da und dort visire, macht sich < ein altes Weib an mich heran und verklatscht sie: die sei mit dem Amerikaner hinüber nach Unterlingen zum Erntekranz, tanze bloß uoch mit ihm, und gehe das Gerede schon weit und breit. Ich sag' nichts, mach' mich aber auf und geh' auch hinüber. Nun, Herr, ich will Sie damit verschonen; ich war nicht der Erste, der sehen mußte, wie sein Mädel seinem Todfeinde am Halse lag, und sah das Gedrück und Geschleck, aber — je nun — ich denk', eine Handvoll Nägel hinunterschlucken nmß noch ein Pläsir dagegen sein, und sah, daß sie gar nicht so ruhigen Blutes war, wie £ ich gemeint, und war wie ein Fieber über sie gekommen. Daß Gott erbarm! jetzt schwante mir, daß ich sie nicht bloß verloren hatte — daß sie selber verloren war. Und paßte sie dann doch ab und warnte sie, wollte ja nichts von ihr haben, bloß daß sie sich von dem los mache und werde sonst ihr Unglück sein. Herr, was ist die Liebe für ein unseliges Ding! Blaß und elend sah sie mich an und sagte: ,Weiß, weiß, renne mit offenen Augen hinein! hast ganz recht, H<mch kann aber doch nicht mehr von ihm lassen.' Nun — da ging ich halt. Und nahm mir ein Herz uud bat den Anton, gerad' auf die eine solle er verzichten, denn die sei zu gut für ihn, und Mädel gäb' es genug auf der Welt. Er aber lachte uud sagte, wenn er seine Wege wieder ginge, würd' er mir beides hierlassen, Gut und Mädel, bis dahin hielt' er sich ein wenig zu Gast, und übrigens sei sie nicht besser und nicht schlechter als Andere, bloß das habe sie voraus, daß sie ihm besser gefiele, und dann spuckte er aus. Da kocht' es in mir und

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