Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1899

Bö halb und halb absolvirt und mir doch immer gedacht, wenn 'mal Einer käme, zu dem du ein Vertrauen faßtest, dem wolltest du's erzählen, ob er dir sagte — schlicht und recht, wie Mensch zum Menschen, Herr: bist freilich schlecht gewesen, Wiesner Hans, aber es sei dir verziehen, wie Menschen sich Alles verzeihen sollen —" und dabei glänzten mich seine Augen so wunderbar an, daß mir ganz feierlich wurde ob der seltsamen Mission, die ich überkam — „und thäten mich nicht mit ein paar schönen Redensarten ab, sondern sprächen wie Einer, nnt dem mau auf du und du steht, und beschieden mich, ob ich ein Recht habe, zu sagen, ich hab's gebüßt und will's dennoch weiter büßen; oder meinen: da ist keine Sühne, und ob ich fünfzig Jahre hier über den Wolken Hause — wollen Sie der sein?" „Ich will's, ernst und ehrlich und nach bester Meinung; nicht weil ich dächte, daß mir ein Recht zu- steht über Andere zu richten, sondern weil war im Grunde alle einer Art sind und Keinem Menschliches fcrnstcht." „Ich dank' Ihnen, Herr." Und ein Händedruck und Gläserklingen besiegelte das Versprechen. Dann begann er langsam zuerst und nicht sehr laut, aber mit fester klarer Stimme: „Wenn Sie den Schwarzen Grund herauskommeu hinter Borisdorf, liegt einsam, aber noch dazugehörig, ein kleines Gehöft. Sie nennen's zum Jacobsbrunnen, warum, das kann ich nicht sagen, es ist dort ein gutes Wasser, aber ich weiß nicht, warum es diesen Namen erhalten hat. Dort bin ich ausgewachsen. Es ist ein kleines Haus, und der Mann, dem es ehedenr gehörte, hieß Wiesner, und war mein Stiefvater, und von ihm habe ich den Namen, der eigentlich nicht mein richtiger ist. Das heißt, so recht gehörte der Jacobsbrunneu auch ihm nicht oder doch nicht allein, denn er halte ihn erheiratet von seiner ersten Frau, und so war er nach ihrem Tode sein und seines Sohnes zu gleichen Theilen. Ich war ein Knirps von fünf Jahren, als ich mit meiner Mutter uach dem Jacobsbrunnen zog, und meine Mutter war eine arme Dienstmagd und halte bis dahin keinen Mann gehabt, weiß auch heute noch nicht genau, wem ich außer ihr mein Leben verdanke, ,ginge mich nichts an', meinte sie. Der Wiesner aber nahm sie zu sich, bald nachdem ihm die Frau gestorben war, daß sie ihm die Wirthschaft versehe und ihn und seinen Jungen in Ordnung halte, der war schon ein Bursche von zwölf, dreizehn Jahren damals, und ein wilder, durchtriebener Unband obendrein. Nachdem wir ein paar Monate auf dem Jacobsbrnnnen wohnten, die Mutter und ich, haben sich die Zwei dann geheiratet und so kam es, daß der Anton mein Bruder wurde. Und mein Peiniger dazu. . Denn von nun an sah er mich als einen Eindringling und Schmälerer seiner Rechte an, und da ich soviel jünger war, konnt' ich mich seiner auch nicht erwehren. Ja, er hat mich was Redliches gequält, weuiger mit Hieben und Knüffen, obgleich er's auch daran nicht fehlen ließ, als mit Stichelreden und allerlei feigen Bosheiten, für die ihm Keiner recht an den Kragen konnte. Auch die Mutter hatte viel Noth mit ihm, und da gab's manchmal schlimme Händel, da ihm der Vater die Stange hielt, bis er merkte, daß damit die Sache noch übler wurde. Da das Rittergut nicht zulangte, uns alle Vier zu ernähren, arbeitete der Vater in einem Goldbergwerke, das seitdem eingegangenist, weil der Ertrag die Kosten nicht deckte, und als der Anton alt genug dazu war, nahm er ihn mit hinunter. Ich selbst half inzwischen der Mutter in der Wirthschaft, bis auch ich herangewachsen sein würde, alsdann mich das gleiche Schicksal erwartete. Ich nenn' es so, weil ich ein tiefes Grauen davor empfand, diese Beschäftigung zu ergreifen, denn ich war von einem zwar stillen und träumerischen aber auch nachdenklichen, be- obachtendcnWesenundhiugmitheißerLiebe

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