Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

22 Der Zierthaler wußte nicht recht, sei er gescheit oder träume er! Rosi war im Zierthalerhofe verborgen, und Niemand sah sie. — Aber die Alten, die den Zierthaler fest umrungen hielten, wollten das Pflügen. „Ei, diese Grabe reim," sagten sie, „die haben für uns keinen Werth; das macht man einmal und unter tausend Fällen nicht wieder! Aber ackern, eggen, säen — das brauchen wir das ganzeJahr!" Der Zierthaler, dem besonders durch seine Umgebung noch der Unmuth nicht ganz gewichen war, sagte: „Ich bin kein Schatzgräber, ich bin ein alter Bauer! Professor, pflügt, eggt, säet und zeigt, daß Ihr da was ansrichtet!" Und fort gings auf die große harte Wiese. Das Gespann mit dem amerikanischen Doppelpflng war schon da. „Ich bin ein Professor und will Euch zeigen, daß ich anch ein Bauer bin!" rief Ditt- mar, warf seinen Rock ab, nahm die Peitsche und hui! ging es vor, daß die Bauern Mund und Augen aufrissen. Mächtige Schollen wichen respectvoll vor dem tiefschneidenden Eisen und legten sich rechts und links ergebenst nieder. Aber kaum sie da lagen, verbröckelte sie die Egge zu Staub, und die Säemaschine legte geschäftig sofort den Samen hinein. Die Jungen und Alten liefen dem Zuge uach, als thäte der Pflug in jedem Augenblicke was Neues. Die Musik spielte, die Jugend jauchzte, Dittmar triefte im Schweiße, war aber guten Muthes. In den Hemdärmeln, glühenden Gesichtes, aber freundlich, trat er nun zum Zierthaler. „Vater," sagte er, „berechnet, wie viel Furchen ich gemacht habe und schätzt das Feld: werde ich in einem halben Tage fertig?" „Ja, ja!" sagten die Alten zustim- niend und wollten Lobes erheben. Auch der Zi'erthaler. „Nun gut, so gebe ich noch was darauf," sagte Dittmar heiter. „Ihr wolltet damals auch, daß ich Euch Klee auf der Hand wachsen lasse; das kann ich nicht, aber etwas Anderes dafür. Seht Ihr die störenden Linden, die ich beim Pflügen umgehen mußte? Die dickste wird in einer Viertelstunde liegen!" Alles legte Hand an zu einer Grube um die Linde. Ein englischer Exstirpator (Herausreißer) wurde angesetzt — Ditt- mar drehte die Maschine — krick — krach — der Baum sprach zürnend in allen seinen Fugen, die Wurzeln rissen sich dnmpftönend von der Tiefe, die Linde neigte sich — krach — plumps lag sie auf dem Boden! Was da weiter folgte? Wohin soll das führen? Ihr könntet sonst von uns verlangen, wir sollen noch erzählen, was Professor Dittmar's Kinder essen, und was seine liebe Frau Rosi alle Tage jetzt noch macht! Jetzt geht es ihr wohl bei weitem besser, als an jenem sonderlichen Probetage. Sie lag da still in ihrem Kämmer- lein, ihr schwarzes rundes Haupt auf den schneeweißen Arm gedrückt, und heiße Thränenperlen rieselten auf diesen hinab. Sie bangte so sehr vor ihres Herzenserwählten Unglück, als vor seinem Glücke! Endlich konnte sie ihr eigenes an Dittmar's Busen fassen und ihn umschlingen — für ewig! Jetzt freilich ist sie auch nicht mehr die blasse Rose von jenem Tage, sie ist aufgebläht zur rothen Mutterrose, und Kinder wie die Knöspchen, so drall und stramm und frisch, umgeben sie. Das Thal hatte tage- und wochenlang Neues und Merkwürdiges zu sehen, und hat es jetzt noch! Der Zierthaler ist ein ungeheuer reicher Mann. Er läßt auf eigene Kosten eine Landwirthschaftsschüte und eine Musterwirthschaft bauen. Dittmar ist der erste Professor darauf und bleibt fortan unter den Bauern, wo er Gutes gestiftet hat und noch stiftet. Der Zierthaler geht von einem Bauer zum anderen und sagt Allen: „Lernen muß nian — und immer etwas Neues!"

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