Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

20 Der Zierthaler stand, schwieg und sah zu Boden. „Ich wiederhole," hob Dittmar nach einer Pause wieder mit fester lauter Stimme au, „ich wiederhole, was ich gesagt. Mein Wort ist ein Pfand; —• gebt Ihr mir Eure Tochter, Zierthaler?" „Wenn er Wasser auf dem Steinfelde .. eine Kohlengrube... die Wiese in eineni halben Tage pflügen...", murmelten die Bauern durcheinander. — „Nun, Zierthaler, Ihr seid doch ein grundehrlicher, vernünftiger Mann, Ihr werdet doch ehrlich handeln!" sagte der hohe Herr. Einen Augenblick noch kämpfte der Zierthaler mit sich, ihm war es, als müßte er, selbst wenn der Professor das Alles könnte, es nicht zulassen, sondern vielmehr hintanhalten, daß es geschehe. Denn er, der Zierthaler, hatte in der Gegend einen Ruf als Einer, der was verstehe und das Alte mit Würden erhalte. Sollte er jetzt, er vor Allen und der Einzige, zu Falle kommen? Doch der Zierthaler war ehrlich, und der Herr vom Schlosse hatte das rechte Wort getroffen. Die breite Brust des Bauers hob sich heftig. „Nun denn," sagte er mit abgewandtem Gesichte zu Dittmar, „wenn Ihr das Alles könnt und vor unserer ganzen Gegend beweiset, so will ich kein ehrlicher Mann sein, wenn Ihr nicht meine Tochter habt!" Ein freudiges, zustimmendes Ge- murmel ging durch die Versammlung, denn das Thal hat lauter Leute, die für Recht und Ehre fühlen! Rost ließ von ihrem Vater und flog mit einem Ruf des Entzückens an die Brust Ditt- inar's. Dittmar umarmte sie und küßte mit dem tief aus beengter Brust kommenden Namen „Rosi!" ihre Stirne. Sepp hatte die Freudenrufe der beiden Liebenden gehört, sehen konnte er sie nicht, und er streckte seine knöchernen Hände vor, um sie zu segnen. „Nicht zu früh, Sepp!" sagte der Zierthaler fest, „erst müssen wir gesehen haben und richten!" Sepp nickte zustimmend, und seine Hände sanken. Der Doctor und der Pfarrer schickten jetzt alle Leute aus der Krankenstube. Sepp war von jeher auf der Brust schwach gewesen; wenn ihn jetzt, wie es möglich war, eine Schmerzenszuckung so heftig ergriff, daß ihm ein Lungengefäß barst — so war es auch bald aus mit ihm. — Das geschah — ein Blutsturz erfolgte! Sepp flüsterte noch dem Pfarrer in die Ohren, daß selbst dieser Mühe hatte, ihn zu verstehen. Bald trat der Herr Pfarrer ans Fenster und machte das Zeichen des Krenzes — Alle sprachen laut und feierlich das Vaterunser für den — Geschiedenen! Das war ein Tag für das Dorf, das Zierthal und die ganze Umgegend! Meilenweit kamen sie dahergeritten, da- hergefahren, dahergepilgert. Die Kunde von den Vorgängen in dieser Unigegend hatte sich weit verbreitet. Die Einen hofften Hohn für den Stadtprofessor, welcher die Bauern zaubern lernen wollte, die Anderen erwarteten Großes. Dittmar war noch in der Unglücksnacht abgereist. Dem hohen Herrn hatte er sich vollkommen verständigt; dieser ließ sofort unter seiner Leitung an bestimmten Stellen Gruben machen. Werkzeuge und Bergleute kameu mit jedem Tage von allen Seiten. Die dagebliebenen Land- und Forstwirthe leiteten Alles bis zu bestimmter Tiefe, wo Dittmar Halt zu machen geboten hatte — damit Alles an einem Tage siegreich hervorkomme oder traurig fehlschlage! Die Arbeiter hatten zu wirken und, was auch geschehe, zu schweigen! Heute war endlich der ersehnte, festgesetzte, letzte Tag. Frühmorgens schon war Alles voll im Zierthale mit Wagen, Reitern und

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