Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

19 Schuld beimessen, und er danke Gott, daß er ihn aus der Welt gehen lasse, ohne daß er ein Mörder sei, und er bitte Beide herzlich um Verzeihung. Professor Dittmar trat ein, bewegt in den Zügen, aber mit stolzer, aufrechter Haltung. Der Zierthaler wendete sein Gesicht trotzig von ihm weg. Auch Rost kam und kniete an dem Fuße des Bettes nieder und faltete die Hände mit gesenktem Blicke. Es war eine allgemeine erschütternde Rührung. Dittmar nahm nach kurzer Pause das Wort: „Wir stehen hier in einem ernsten, heiligen Augenblicke vor Gott und den Menschen beisammen! Hier kann ich es sagen und beschwören, mein Herz • und meine Seele sind rein, und dieses Kind ist es auch! Ich habe meine schönste, reinste Welt in diesem unschuldigen Kinde gefunden, ich liebe es wie meine Seligkeit — und daß ich es liebe, möge beweisen: hier vor Allen fordere ich es zum Weibe!" Die Umstehenden sahen sich an — der Zierthaler schüttelte mit finster gezogenen Augenbrauen das Haupt. „Zierthaler — Ihr versagt mir sie?" rief Dittmar. „Fragt sie selbst; wenu sie mit Euch ist, so gehe ich noch heute Nacht von Euch, und Ihr sollt nie mehr von mir hören!" Rosi erhob sich jetzt stolz und kräftig. Ihr kohlschwarzes Auge hatte seine volle Gluth wieder gewonnen, sie strich die fallenden Haare vom Gesicht und sprach mit zarter, aber fester Stimme in einer Art Weihe. Ein innerer höherer Geist mußte sie beseeleu; wo sollte diesesBauern- müdchen die Hoheit, den Ausdruck, die Würde gefunden haben? — „Vater! Ihr habt mir vertraut, und beim allmächtigen Gott, ich bin Eures Vertrauens noch werth! Der Professor ist ins Haus zu uns gekommen, und was er mit mir gesprochen hat, war Belehrung; er hat mir in jeder Blume eiu Verborgenes, in jedem Stein was Neues gezeigt, und ich habe ihm mit Bewunderung zugehört! Vater, es muß eine Seligkeit sein, so viel von Gott und der Welt zu wissen! Ich bin dem Professor vom Herzen gut, und wenn Ihr nns nicht mehr beisammen lassen wollt, so — so — so schickt mich zu den Klosterfrauen drüben im nächsten Thal, und ich will mein Lebtag dort drinnen bleiben!" Rosi schluchzte und barg ihr Haupt an dem Busen ihres Vaters, dein das Herz weich zu werden begann. Der Zierthaler war ein Mann, dem wohl das Herz weich werden konnte, der aber nicht so leicht dadurch für immer herilmzukriegen war. „Eine Bauerndirn," sagte er endlich mit dumpfer, düsterer Stimme, „gehört zu Bauern; und wir sind noch nicht so weit bei uns in der ganzen Gegend, daß wir wegen einer Liebesgeschichte vom Alten lassen und Altväter und ihre Lehren verachten, um allerlei Leuten aus der Stadt, die wer weiß woher kommen, zu folgen!" Der alte Widerwille gegen Stadt- lente und den Professor erwachte wieder unter den Umstehenden. „Zierthaler," nahm Dittmar das Wort, „Ihr antwortetet mir einmal im Scherze, Ihr gebet Euch mit Allem zufrieden, wenn ich, wie ich sagte, es mache, daß Ihr Wasser auf dem Steinfelde, eine Kohlengrube im Hause und die große Wiese in einem halben Tage umgebrochen habt! Wohlan, Ihr stucht mir und nennt die Wissenschaft Verderben für Bauersleute. Und ich, ein einzelner, schlichter Mann, sage Euch — das Wasser wird aus Eurer Steinwiese quellen — eine reiche Kohlengrube hat Eiter Haus, und die Wiese breche ich Euch eigen- händig mit dein amerikanischen Doppelpfluge in einem halben Tage um, egge und säe zugleich!" Die Bauern horchten hoch auf, als sie Dittmar zu so ernster Stunde in so ernsten und würdigen Worten sprechen hörten. Der hohe Herr vom Schlosse drüben, der gegenwärtig war, nickte wohlgefällig mit dem Kopfe. s*

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