Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

16 Bergen herausfordert. „Licht! Licht!" riefen endlich auch einige Stiinmen. Der Zierthaler sprang auf, und die kleine dicke Bäuerin erschien auch schon mit einem Lichte in der Hand und hielt es ober ihrem Kopf ins Dunkle hinaus, um zu sehen. Das Schreien und Lärmen wuchs von Secunde zu Secunde, aus allen Stellen und Winkeln kamen die Knechte und Mägde mit Laternen und Lichtern. Das Hofgitter ward jetzt aufgerissen, und die Männer mit der Tragbahre schritten vor. Sie waren umrungen von allen Burschen, und ehe der Zierthaler, dem es vor den Augen flimmerte und der seine Rosi vermißte, nachsehen konnte, was und wie, ertönte es aus allen Kräften schon: „Der Sepp! Der Sepp!" Die Weiber kreischten bei dem entsetzlichen Anblicke, die Männer murmelten, schrien und sprachen durcheinander. Endlich brach der Zierthaler durch und fragte, um Gotteswillen, was es gegeben? DerHäusler-Franz, ein langgestreckter, wilder, überreifer Bursche, erzählte in den fruchtbarsten Ausdrücken, was sie gesehen — wie sie den Professor mit Rosi gefunden und überrascht. Der Zierthaler war glühroth im Ge- sichte, er hob beide Hände in die Höhe und wollte losbrechen; — da stürzte er plötzlich rückwärts, zum Glücke im Gedränge auf einige Männer, die ihn auf- fingen. Solche kolossale vollblütige Gestalten sind leicht dem Schlimmsten ausgesetzt. Das Aechzen und Kreischen der Bäuerin und der Mägde war entsetzlich. Rosi sprang hinzu und umfaßte ihre,: Vater mit dem Ausrufe des tiefsten Schmerzes und der unendlichsten kindlichen Liebe. Der Zierthaler war wieder ganz bei sich, es war nur ein vorübergehender Schwindel gewesen. Und wie er seine Brust wieder gerade emporrichtete, versagten die ihn umfangenden Arme Rosi's, sie gleiteten au der breiten Brust des jetzt davon lichterloh brannten und ihm den Leib zu verzehren anfiugen. — Ein entsetzliches Jammergehenl Sepp's durch- schauerte Berg und Thal. Beherzte Burschen sprangen zn dem brennenden Klumpen, der sich wälzte, schlugen mit ihren Hüten nach der Flamme und löschten. Rosi und Dittmar waren unversehrt, der Schuß war ohne jedes Ziel über sie hinweg in die Luft gegangen. Sepp stöhnte grauenhaft im Dunkel der Nacht. Unter den Burschen war keine geringe Verwirrung; ein Ausstößen von Drohungen, Schimpfworten, Verwunderungen, Mitleidsäußerungen ging durcheinander. Der Professor schien der böse Geist in Allem, und über ihn ging es vorzüglich los. Dittmar faßte sich bald. Kühn und männlich trat er Allen entgegen. „Daß mir sie Keiner anzurühren wage!" rief er mit kräftiger Stimme und gebietender Hoheit, nahm Rosi stolz am Arme und führte die Wankende ins Zierthal. * * * Der Zierthalerhof lag ruhig im Dunkel. Und der Zierthaler simulirte so ins Dunkel hinein über allerlei Neues und Altes. Den Schuß hatte er wohl gehört; aber wer kümmert sich in einem Thäte darum, wo jeden Tag gewildert wird? Plötzlich hörte er starke Fußtritte auf der Straße draußen, die nach dem Hofe führte. An der Stelle, wo frischer Schotter aufgeschüttetwar, knirschten und klapperten die Steine gar sonderlich, zn ungewohnter Zeit; denn es war Alles schon vom Felde zu Hause. Der Zierthaler nahm die Pfeife aus dem Munde, starrte und horchte. Die Tritte der Männer, welche Sepp auf einer Bahre aus Banmzweigen durchs Dunkel dahertrugen, schallten doppelt stark im Steingerölle. Von den Burschen traute sich keiner vor und wollte keiner der Erste sein, sie schrien daher eine kleine Strecke vor dem Hofe den gewöhnlichen Ruf, der in diesen Thälern und

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