Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

14 wegung Rosi's ebenso sorgfältig. Rosi stöhnte und schluchzte laut auf: „Schmerzensmutter, Heiland, helfet mir, steht mir bei!" Lange lag sie noch mit gesunkenen: Haupte, erschöpft im Gebet, dann stand sie auf, trocknete ihre Augen und trat wieder den Heimweg an. Daß der Mann hinter den Bäumen auch in die Knie gesunken war und zuletzt mit Rosi gleichzeitig gebetet hatte, das konnte Sepp nicht merken. Als aber Rosi wieder den Heimweg antreten wollte, trat der Mann aus dem Gehölze Rosi entgegeu. Es war der Professor. Sie erschrak; aber doch nicht gar so sehr, als wäre ihr das Ganze unerwartet, und sie wollte dennoch weiter. Der Professor nahm sie an der Hand, legte diese an sein Herz, und die Beiden gingen langsam miteinander. Sepp schlich nach, aber er konnte nicht hören, was sie sprachen. Die Beiden liebten. Professor Dittmar sagte, was er fühlte, und er wußte viel zu sagen. Er hatte lange unter den Damen der Stadt ein Wesen gesucht, das ihn fesseln könnte, sein Herz war leer, sein Gefühl stumm geblieben. In der keuschen, reinen, unverdorbenen Rost, die seinen Lehren gehorcht hatte, trotz des Vaters — die so kluge Fragen that und ost erklärte, einzusehen, was der Professor Rechtes und Schönes sage — die in kindlicher Naivetät den Wunsch ausgesprochen, mehr von diesen klugen, gelehrten Sachen zu hören, und die Stadtfrauen beneidete, die derlei das ganze Jahr hören könnten — in diesem Wesen, in Rosi, hatte Dittmar endlich seine Ruhe, sein ganzes Herz, seine reinste Seele wieder gefunden! Er mußte über Rosi's Herzeusbesitz erst gewiß sein, er mußte erst des Zier- thaler's Vornrtheile überwunden haben, ehe er es wagen konnte, diesem etwas zu sagen. — Rosi durfte den Vater nicht erzürnen und in ihm den Verdacht rege machen dadurch, daß sie für den Professor aus der Stadt sprach. Darum schwieg sie, und darum thaten Beide heimlich. Aber Rosi hatte den Vincenz auch gerne gelitten. Und dem armen guten Burschen, den sie nicht ohne Hoffnung gelassen, weh' thun, das schmerzte sie auch. Darum schluchzte sie so auf dem Bet- schemel. Zuletzt glaubte sie sich's selber nicht, daß sie, so eine einfache Bauerndirne, dem gelehrten Herrn besser gefallen sollte, als alle feinen Damen. Sie hätte dem Professor nicht gerne mißtraut, aber sich selber nicht auch so viel zugetraut, und in solchem Schwanken zwischen Seclen- lust und Herzensangst, nahendem Glück und drohender Verführung oder Widerrede schluchzte sie und rief den Himmel um gnädigen Beistand an. Der Weg, der fünfzig Schritte geradeaus vom heiligen Orte abwärts führte, bog dann plötzlich links ab, ein Felsen- stück, das in diesem Winkel Vorstand, bildete über dem Erdreich unter ihm eine Art Wölbung, Buschwerk wuchs auf dem feuchten Flecke, und so war eine prächtige Grotte gestaltet, in der auch eine Bank angebracht war. Da zog der Professor seine Seligkeit hinein, dort weilten sie Beide eine Weile, und Sepp schlich vergebens, wie ein hungriger Wolf um eine Hütte, in der er Raub wittert, herum, ohne sich von einer Seite nahen und horchen zu können. * Der andere Tag war ein heißer Tag. Sepp hatte seinen Schwestersohn gesehen und dem traurigen armen Vincenz ver sichert, es solle anders, es solle besser werden! Dabei hatte er die Fäuste geballt, mit den Zähnen geknirscht, und aus seinem Auge waren unheimliche Blitze geschossen. Wie Sepp die Sache betrachtete, gestaltete sie sich durch Verrath immer so, daß Rosi für Vincenz verloren war. Daß sie es nicht sei, das war der Traum seines Lebens. Und so war Sepp zu einem furchtbaren Entschlüsse gereift.

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