Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

11 Tische einander verstanden haben. Die Kruge, die Fäuste Hopsten, und Einer sprach lauter als der Andere. „Und das laßt sich der Zierthaler, das laßt Ihr Euch Alle gefallen?" rief eine rauhe Baßstimme Sepp gegenüber. „Bei mir wäre der Stadtherr schon vorder Thür draußen gewesen." „lind wenn er auch ein Professor ist," rief ein Anderer, „so soll er in der Stadt Professor bleiben. Da sind unsere Professoren!" Und er schlug beide derbe Hände flach vor sich auf den Tisch hin. „Gefallen?" kreischte Sepp fast boshaft, und sein einziges Auge funkelte. „Grobheiten hat ihm der Zierthaler gesagt! Grobheiten genug! Die vierzehn Tage, die der Professor da ist, hat er so viel anhören müssen, wie vielleicht sein Lebtag nit!" „Wenn Ihr Euch nur die Hälfte von dem habt gefallen lassen, was die Leut' im Dorfe erzählen, so seid Ihr Alle alte Weiber!" rief ein Anderer heftig. „Der Zierthaler kommt mir wie ans- gewechselt vor," sagte ein Alter; „ich hätt' mir ihn anders gedacht!" und er that einen tiefen Zug. „Nicht um ein Haar anders ist er, als er war," sagte Sepp; „aber der Professor hat ein Fischblut oder ein Herz wie ein Holzstock. Wenn der Zierthaler recht grob gegen ihn ist, sagt er nur: Für hie Wissenschaft muß man Alles thun und leiden, und klopft dem Alten auf die Schulter, als hätte er ihm ein Compliment gemacht. — Und der Zierthaler kann grob sein!" rief Sepp mit Stolz. „Ja, wer sollt' nit auch fuchs- teufelswild sein, wenn ein Mensch kommt, der sein Lebtag nicht in der Gegend war, und sagt, auf dem oberen Feld beim Fichtenwald soll man Gyps aufschütten, daß es besser wachsen soll. Gyps! Ich bitt' Euch, Gyps! Und dort hinauf!" „Der ist ja verrückt!" riefen Mehrere. „Ach, der ist nit verrückt," rief eiu Anderer. „Der Zierthäler und der Sepp, die wissen g'rad' so viel als meine jährigen Kalben zu Hause. Der Professor will wo anders eiuschlageu und Holz machen! Wenn Ihr das nicht merkt, so seid Ihr Alle blind. —■ Die Rosi, das wär ein Grund!" Der Sepp fuhr zusammen, als hätte ihm Einer eiuen Stich von rückwärts versetzt, ©ein einziges Auge rollte, sein ganzes Gesicht wechselte zwischen Blaß und Roth, seine Lippe bebte, aber er schwieg. „Seht den Viucenz dort an," rief der Sprechende weiter. „Wenn der nit so traurig ist, wie eine alte Bachweide, dann will ich nichts gesagt haben. Warum? Der Vinceuz muß's wissen!" „Und was weißt Du?!" rief Sepp heftig. „Was i weiß?" sagte der Bauer, „gar nix weiß ich!" Und er lachte höhnisch, setzte den Krug au und guckte pfiffig über denselben hinüber. Vinceuz am andern Tische, der nach der Länge stand, hatte gehört, was gesagt wurde. Er wechselte die Farbe, that aber nicht, als ob er gehört hätte. „Du weißt was!" kreischte Sepp nnb steckte seinen Kopf wie eine Wildente im Zorne aus. „Sag', was Du weißt!" Der Bauer schwieg. „Sag's!" rief Sepp und hieb mit den harten Knöcheln heftig auf den Tisch. „Wenn Du's gerade haben willst — warum nil? Sag' dem Zierthaler, i lass' ihu schön grüßen, und wenn die Rost das Gebetbüchel beim Crucifix oben vergißt und es ist schön Wetter, braucht sie nit um die Sternzeit zurückzugehen und es zu holen. Es liegt gut auf der Bet- bank bis in der Früh, und der Professor findet schon allein den Weg vom Kogel oben nach Haus." Ein Murmeln ging durch die Tischgesellschaft, das bald in Zischeln und EinzelngMräche, ja Gelächter und Zornausbrüche überging. Der Sepp griff nach dem Henkel seines Kruges, als wollte er ihn dem Bauer ins Gesicht werfen. Erbebte, hielt aber an und kreischte: „Hast Du das Alles gesehen?"

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