Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

10 dem der Kutscher nicht wußte, ob vor-, ob rückwärts. Nud jetzt war die ganze Bescherung schon da! Der Wagen war umgedreht, schwarzbefrackte Herren führten die Pferde am Zügel, die Zierthalerin hatte einen mächtigen Blumenstrauß in der Hand, Rosi mochte sich sträuben so viel sie wollte, ein schmucker hochgebauter Herrin den schönsten Mannesjahren setzte ihr immer wieder einen prächtigen Kranz von Rosen und Lilien aufs Haupt, und ihre eigenen-Rosenwangen glühten, die Lilien und Sammtblumen in ihren Augen blühten! Herin war der Zug im Zierthaler- hofe. Die Pferde schnaubten, die Menge wogte um den und hinter dem Wagen; es war eine herrliche Gruppe: die Unterthanen der Schönheit mn den Siegeswagen — und die Siegerin gekrönt oben! Und nun ging's aus Begrüßen, Erklären; der Oberste der „Schafsköpfe", der Fürst, war auch dabei drückte dem Bauer die Hand stellte ihn vor, nannte ihm wieder eine Menge von Namen und rühmte ihn, und der Zierthaler meinte, das jüngste Gericht sei gekommen, oder er träume, oder... kurz es schwindelte ihm, er wußte gar nicht, was man sagte und was er selbst dachte. Vielerlei Herren waren da, Glatz- köpfige, Bebrillte, sehr komische Gesellen, die nach Allem eher anssahen, als daß sie wüßten, wo das Gras wachse; - und dennoch waren sie, die Hübschen wie die Häßlichen, dieKomischen wiedieErnsten— die gelehrten Land- und Forstwirthe, und wer über sie lachen wollte, der hatte nicht ohne Grund vollauf zu thun. Der Zierthaler hatte seine trotzköpfigen Ideen; aber ein Mann war er doch, ein bis auf seine verrosteten hartnäckigen Ansichten gescheiter Mann. Und er ließ ein Faß Wen: aus seinem Keller rollen, er öffnete Küche und Keller, er dachte: Der Zicrthaler, als der reichste Bauer der Gegend, muß Allen Ehr' machen. — Karg soll man ihn nicht finden! Essen und trinken kann die ganze gelehrte Gesellschaft so viel sie will; aber wenn sie ans Belehren kommt, da soll sie den Zierthaler so hart finden, wie seine Fässer, Gläser und Krüge! Das dachte der Zierthaler fest und sicher. Darum schritt er auch so aufrecht und bewußt zwischen allen herbeigeschafften Stühlen und Tischen und half selbst zu, wo es ging, und nahm es auf die leichteste Schulter, wenn die Herren dem Blitzmädel, seiner Tochter, die Cur machten und es verwundert und bewundernd nicht aus den Augen ließen. Es war ein förmliches Volksfest im Zierthalerhof; kein Landwirthschafts-, sondern ein Landverwirthschaftsfest. DerZierthaler dachte bei seiner Tochter und bei Allem, was er hergab, nur immer stolz: lauter Prodncte nach alter Art! * * Es war mehr als eine Woche herum seit dem sonderbaren Einzüge der Gäste ins Zierthal. Die Bauern hatten nicht wenig zu reden; und wenn die gelehrten Herren Landwirthe etwas schlecht machten, so war es dies: daß sie durch ihre Anwesenheit verursachten, daß die Bauern zeitlicher vom Felde nach Hause kamen als sonst, um über die sonderbaren Neuigkeiten der Gegend vor den Hausthoren oder im Wirthshause zu plaudern. Daß sich untep solchen Verhältnissen das große Wirthshaus im Dorfe allabendlich füllte, mehr wie sonst, und daß da gar curiose Geschichten von den Ein- quartirten auftauchten; daß Jodler, Stanzeln, Spottg'sangeln wuchsen; daß da mit den Krügen nud Fäusten gar heftig auf die Tische geschlagen wurde; daß der Eine oder der Andere, der zu den Gelehrten hielt, übel wegkam •— versteht sich von selbst. Es war so ein Abend, wo das große Wirthshaus voll und voll war. Da gab's allerlei Leute, Alte, Junge, Großbauern, Häusler, Oberknechte, Knechte u. s. w. Und was da für ein Lärm war! Es ist ein Wunder, wenn die Leute sich am

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2