8 doppelt jeden Schall hörte, und wenn sich die Blätter der Bäume im Sonnenscheine wiegten, glaubte man, sie niesen freundlich dem Wetter, demMorgenlüftchen und dem Kirchengeläute zu. Im Zierthalerhof war's still und feierlich; aber nicht so freudig wie sonst, wo die Knechte mit ihren bunten Kleidern, die Mägde mit ihren rothen, gelben, blauen Tüchern und Röcken hin- und her- eilten, um in die Kirche zu gelangen. Auch die feiste Bäuerin, die Sonntagsschimmel mit demStaats-Landaner fehlten nicht im Gehöfte, und vollends gar der lachende gute Geist, des Zierthalers Rosi! Der Bauer hatte verkündet, daß die Herrenleut' heute bloß in den Nach- mittags-Segen und nicht in die Frühmesse gehen, um nicht den lästerlichen Zng, den für die ganze Bauernschaft lästerlichen, mitzumachen. So hatte sich das Gesinde einzeln und leise davongeschlichen. Er selbst, der Zierthaler, ging, glatt rasirt, in schneeweißen Hemdärmeln, mit einem extrafeinen und schimmernden grünen Sammtkäppchen im Hofe herum, der wie eine Tenne gefegt war und auf dem man noch die Besenstreifen sah, hie und da von den dreigabeligen Tritten der Hühner unterbrochen und durchgemustert. So lange es still war, ging Alles gut in dem Zierthaler. Er fühlte sich als Herr, als ein Mann, der einen Willen hat und am Alten hing, treu und fest! Sein Stolz bäumte ihn da sogar ein bischen auf. Als aber die gewohnten Glockenklänge herübertönten, so hell, so klar und lieblich, und riefen: Zierthaler, komm Deinen gewohnten Weg, den Du schon fünfzig Jahre gehst .. als sie ihm ins Ohr sangen: jetzt, jetzt versammelt sich die Gemeinde, versammeln sich alle Zerstreuten aus der ganzen Umgegend, und die Alten sind da, die Mädchen, der gnädige Herr, die Fremden — als die Glockenklänge ihm das ins Ohr sagten, da ward ihm doch etwas sonderbar, fast geschnürt ums Herz. Er fing auch an, daran zu denken, was Der oder Jene sagen werden, daß er fehle, und warum die Rost nicht da sei, und endlich stellte er sich vor, daß es doch Schade sei, daß die Rosi das nicht sehe, und vollends, daß sie nicht an der Spitze sei! — Was, sollte ein anderes Mädel verdienen, an ihrer Stelle zu sein? Soll er seine Rosi nicht kühn vor allen Fremden an die Spitze stellen und fragen: Wer hat noch so ein Töchterl?! Es fing ihn an zu wurmen; und daß er den im Grunde braven, bauersgetreuen Herrn im Schlosse drüben gar so durch Nebensachen ärgern solle, das war ihm jetzt, wo er sich Alles deutlicher vor- stellte, doch nicht so recht. Er griff ans glattrasirte Kinn und rieb es, obwohl da gar nichts biß. Plötzlich rief er ins Haus zu. einem geöffneten Fenster hinein: „Rosi, Du sollst gehen! Kleidet Euch an,, Weiber, in Gottes Namen! Ich gehe nicht; aber macht rasch; es wird's noch thun! Daß mir das Mädel an die Spitze kommt, hört Ihr? Aber rasch, rasch, Weiber!" Und er hätte gerne alle Kleider genommen und auf sie hinaufgeworfen, oder gerne blitzschnell eingespannt, die Weiber auf den Wagen geschoben, die Kleider zu ihnen, daß sie sich während des Fahrens aufputzen mögen. Und drinnen in den Stuben, wie ging es plötzlich zu! Die Bäuerin hatte geseufzt und im Stillen geschmachtet, daß ihr so was entgehen solle; aber zu reden getraute sie sich denn doch nicht. Und Rosi als erste Führerin unter den Jungfrauen! Wer es ihr verargt, daß ihr im Augenblicke, wo der Vater rief, das Herz aufging wie eine Strohflamme, der hat gar kein Verständniß eines Weiberherzens. Wie es in den Stuben zuging, wie die Weiber an sich richteten und mehr verwüsteten, als sie gut machten, und wie sie Alles verkehrt nahmen, bekennen, anfsetzten, anlegten — ach, man müßte nur selbst einmal Weiberkleider und Schmuck in Eile anlegen gewollt haben, um es so ganz zu wissen
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