Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

4 „Dann will ich Euch noch mehr sagen; ich habe nach den Büchern und Lehrern prvbiren lassen und habe gefunden, daß ich jederzeit damit besser draus gekommen bin." Der Zierthaler wollte lachen. Plötzlich hielt er aber inne. „Sie sind betrogen," rief er, „das haben Ihnen Leute weiß gemacht, die ein Interesse daran haben!" Der Zierthaler hatte die Eigenschaft aller Leute, welche nicht glauben wollen und immer die sonderbarsten Verdachts- grüude gegen Andere herausfinden. „So überzeugt Euch selbst!" „Herr, fürstliche Gnaden! So dumm sitn ich nicht, daß ich mit derlei meine Zeit verliere. Eher geht eines Morgens die Sonne hinter meinem Hause auf statt vorne, wie es immer bisher geschehen, als daß ich auf meine alten Tage mich von meinen Knechten aus- lacheu lasse! Jede Maschine, die mir ins Haus kommt, zertrümmere ich mit der Holzhacke! Jedes Buch stampfe ich in den Schweinstrog!..." Der Zierthaler wollte so heftig fortfahren, der Fürst unterbrach ihn. „Und doch hat Euer Gevatter von drüben im nächsten Thal seinen Burschen ins Institut geschickt." „Mein Gevatter ist ein Esel, und sein Bursch wird ein noch größerer!" Der Fürst mußte lachen, denn der heftige Zierthaler inerkte gar nicht, daß der Esel auch ein bischen auf seinen Gast komme. „Was bleibt Euch denn erst von den Versammlungen der Land- und Forst- wirthe zu denken übrig?" „Sagen will ich's! Schafsköpfe sind sie. Sprechen von der Bauernwirthschaft wie der Stier von der Butter. Schafsköpfe, Euer Gnaden!" „Nun, mein lieberZierthaler, so wisset, in wenigen Tagen halte ich drüben auf meinem Schlosse eine Versammlung von Landwirthen ab, und Ihr seid höflichst eingeladen." Der Zierthaler erblaßte etwas. „Und der Vorsitzende der Schafsköpfe, der Ober-Schafskopf, bin ich!" Der Zierthaler wurde noch mehr blaß und wußte nicht, ob er in die Erde sinken oder droben bleiben solle. Der Fürst erbarmte sich seiner Verlegenheit, griff nach seiner noch geballten, auf dem Tische liegenden Faust und fuhr fort: „Noch mehr. Ich habe nicht Platz genug für alle die Herren Professoren und Oekouomen, Ihr werdet wohl so gut sein, einen oder zweie aufzunehmen?" Der Zierthaler wollte umsinken. „Was Ihr gesagt habt, alter Freund," sagte der hohe Herr wohlwollend, „das macht mir gar nichts. Es fällt kein Gelehrter vom Himmel, vielleicht wird's noch anders zwischen uns. Ihr nehmt mir doch wenigstens einen von den...", Schafsköpfen wollte er nicht sagen, aber dem Zierthaler klingelte das Wort schon in den Ohren. „Die Einzelnen müssen Ausflüge machen, den Boden an verschiedenen Stellen untersuchen, und darum. . ." Der Zierthaler schnaubte unter der Wucht, die auf seiner Brust lagerte. „Gnaden... Herr Fürst... gnädiger Herr...", und er stand dabei auf, „wenn Sie wünschen... ich bitte... ich, ich ." „Es ist gut! Abgeschlossen! Grüß' Euch Gott, alter, wackerer, aber trotziger Zierthaler; es bleibt dabei; auf Wiedersehen!" Und der Fürst hing den Stutzen um, nahm den Hut und machte sich auf den Weg. Der Zierthaler wankte nach, er war mehr todt als lebend. Er wußte selbst nicht, wie er zum Gitter kam, aber dort hatte er endlich ausgewackelt und lehnte erschöpft mit der Kappe in der Hand. In der Küchenthüre stand eine kleine, verschrumpfte, einäugige Gestalt, rieb heftig die Knöchel der einen geballten Hand in der Fläche der anderen, knirschte die Zähne und lachte. Das war Sepp, der Knecht. * * *

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