Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

2 und eilt dem ersten der Kommenden entgegen, der nur noch zwanzig Schritte vom vorderen Gitter entfernt ist. Je näher er dem Herrn kommt, desto freundlich lächelnder wird dieser, und desto ehrerbietiger wird der Zierthaler. Dieser hat sogar schon das grüne Käpp- chen in der Hand und macht seine besten, wenn auch schwerfälligen Kratzfüße. „Gnädiger Herr — gestrenger Herr — Durchlaucht!" stammelt der Zierthaler mit rauher Stimme aus etwas dickem Halse und sucht verlegen um Worte. „Was schafft mir die hohe Ehr'?" „Zierthaler, grüß' Euch Gott, und setzt Eure Kappe auf!" sagt der wohlwollende Herr, der niemand Anderer ist, als eine Durchlaucht, ein sehr hoher Herr. Während er die Begrüßung zu dem Bauer sagte, reichte er diesem die Hand, oder er griff vielmehr um die rauhe Faust, die schüchtern schlapp herabhing. Der Zierthaler stammelte noch allerlei verlegenes Zeug, doch der Herr sprach ihm recht munter und freundlich zu, schob ihn im Gehen fast vorwärts in sein eigenes Haus hinein, und jetzt sind sie im Gehöfte. „Kommt, Zierthaler, setzt Euch zu mir, erzählt, wie es bei Euch in Hof und Feld geht, ich habe auch mit Euch zu sprechen." Der Zierthaler kennt wohl den Herrn schon von früher; aber gleich so mir nichts Dir nichts neben die Durchlaucht fetzen, mag er sich doch nicht. Endlich nöthigt ihn der Gast dazu, auf dem „Stockerl", das da steht, Platz zu nehmen, und indem der Zierthaler sein Käppchen und seine Pfeife bei Seite auf die zweite Bank gelegt hat, wird ihm doch etwas heimlicher und • er gewinnt seine alte ruhige, derbe Festigkeit wieder. Nachdem die ersten Fragen von dem Herrn über Kuh, Kalb, Pferdeanzahl u. dgl. vorüber waren, worauf der Bailer ganz bündig geantwortet, ging es tiefer in ein Gespräch hinein. „Nun, Zierthaler...", da unterbrach sich der Herr, „Ihr verzeiht schon, daß ich Euch Zierthaler heiße, denn Euer Name, Johannes Günther, der im Grundbuche steht, ist mir so wenig als allen Leuten der Gegend geläufig." „Gnaden, ich heiß' ja überall der. Zierthaler und habe mich, Gott sei Dank, nicht des Zierthales und des Zierthalerhofes zu schämen," sagte der Bauer mit einer Art Stolz. „Wahrhaftig nicht! Es ist ein wahres Schmuck- und Zierthal. Nun sagt mir, Zierthaler, wie sieht es mit dem Neuen und den Neuigkeiten bei Euch ans?" „Gestrenger Herr, Neues und Neuigkeiten bei uns — da gibt's gar nichts!" „Nun, Ihr geht doch zeitweise in die Stadt?" „Um die Stadt da kümmere ich mich gar nicht; da werden Durchlaucht mehr wissen als ich." „Aber was habt Ihr für neuen Samen, für neue Geräthschaften mitgebracht?" „Neuen Samen? Neue Geräthschaft? Ist mir noch gar nicht eingefallen!" sagte der Zierthaler fest, und seine starren Augen nahmen einen Ausdruck an, als wollte er alle Samenhändler und Maschinenmacher der Welt herausfordern und sie auslachen. „Nicht eingefallen? Und Ihr seid doch ein gescheiter Mann, Ihr geht doch mit der Zeit!" „Mit der Zeit? Wenn die Zeit mit mir geht, dann ist's gut, dafür bin ich gescheit!" Der Fürst, welcher bisher ruhig und leichthin sprechend war, machte nun plötzlich mit dem Gesichte eine Wendung mehr nach dem Zierthaler und sah ihn an. Der Zierthaler war plötzlich vor dem Blicke erschrocken und guckte etwas verlegen unter seinen dicken Augenbrauen. Er merkte, daß er doch ein wenig zu weit gegangen, und die Aeußerungen seien dem Herrn nicht recht. „Also Ihr habt etwas mit der Zeit oder gegen die Zeit? — Es ist mir lieb, daß ich es erfahre; denn nicht, daß ich

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